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Die WahrheitPott fürs Glück

Kolumne
von Bernd Gieseking

Kaffetassen und -becher können Leidenschaft entfachen, ein Trennungsgrund und ein Fall für die Haftpflichtversicherung sein.

J eder Mensch hat so seinen Tick. Ich sammle Kaffeetassen oder vielmehr Kaffeebecher. Jeden Morgen bereitet es mir einen Riesenspaß, zu überlegen, aus welcher Tasse ich heute trinken will. Eine ist sogar von einem Künstler: Günter Rückert. Mit dem Dortmunder „U“! Andere Pötte erinnern mich an Orte, die ich besucht habe. Drei Regalreihen stehen voll.

Ich habe sogar ein Porzellan­exemplar, das aussieht wie ein zerdrückter Plastikbecher. Ich find das großartig. Sie findet, das sei ein Trennungsgrund. Ich besitze scheinbar viele Trennungsgründe.

Ich habe Mumin-Tassen aus Finnland. Die sind dort richtig was wert. Sammlerstücke, die nur in kleinen Auflagen hergestellt werden. Ich behandle sie entsprechend vorsichtig. Vor allem die in Orange, die mit den Hatifnatten! „Ja, in Finnland!“, sagt sie dann. „Hier sind es Kaffeetassen! Mit sehr kindlichen Motiven!“ Aber doch nicht die mit dem Snork-Fräulein! Für mich ist allerdings auch „Räuber Hotzenplotz“ Literatur, und „Urmel aus dem Eis“ halte ich für wichtiger als „Die Ästhetik des Widerstands“. Sie sagt: „Wir reden über Tassen, nicht über Kindergeschichten!“

Den Pott mit dem Aufdruck „Äktschen“ findet sie besonders albern. Ich nehme den an ganz faulen Tagen zur Aufmunterung. Das hält sie nicht mehr für „kindlich“, sondern für „kindisch“! Ich frage, ob es ihr lieber sei, wenn ich eine Märklin-­Eisenbahn im Wohnzimmer aufbaute. Sie sagt, wenn man daraus Kaffee trinken könne, hätte ich das sicher längst getan.

An Tagen, wo sie mich verstehen möchte, fragt sie schon mal: „Schmeckt der Kaffee anders aus anderen Tassen?“ Äh, darauf habe ich noch nie geachtet. Sie versucht, verständnisvoll zu sein, aber ich spüre, es ist eine Falle! Kaffee schmeckt immer wie Kaffee, doch sage ich das nicht!

„So wie bei Rotwein- und Weißwein-Gläsern“, stichelt sie nach. Sie weiß genau, dass es bei meinen Weinen völlig egal ist, ob ich den Weißen oder den Roten aus Weingläsern trinke. Ein Freund von mir hat sogar „mundgeblasene“ Weingläser, ganz feiner Rand, die holt er für einige Gäste überhaupt nicht raus. Mir hat er sie auch nur gezeigt. Die Zeit reichte trotzdem, einen Kelch vom Stil zu trennen. Ich soll jetzt meine Hausratsversicherung bemühen. Bei einem Kaffeepott hätte ich das verstanden. Na ja, es war halt keine Freundschaft für die Ewigkeit.

Das gilt vielleicht auch für meine Beziehung. Wir sind jetzt auf einen Polterabend eingeladen. Sie will, dass ich mich dort von einigen Tassen trenne. Sonst würde sie sich von mir trennen. Ich hätte ohnehin zu viel von allem, ich solle das ganze Zeug endlich mal abstoßen.

Was sie genau meine, frage ich nach. Die vielen schwarzen T-Shirts. Vor allem die in M. Nicht mal in die Größe L würde ich irgendwann wieder hineinpassen. Woher sie das so genau wisse? Sie kenne mich nun lange genug. Dann schaut sie mich an, lächelt plötzlich und öffnet die Hand. Die mit dem Kaffeepott. Die mit dem Aufdruck „Heiß und wild!“ Hoffentlich hat sie eine Hausratsversicherung!

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