Die Wahrheit: Ein Hauch von Elefantenatem

Tagebuch einer Heimwerkerin: Auf der Suche nach einer Wandfarbe geriet ich an ein Produkt, dessen Name meine Fantasie auf Abwege brachte.

Samstags beim Frühstückskaffee auf dem Markt. Am Stehtisch nebenan Geprahle über die letzte Schnäppchenreise in die Türkei. „129 Euro! Flug, alles inklusive! Wir mussten zwar so ne Heizdeckenfahrt mitmachen, aber da ham wir ne megagünstige Kalbsleberjacke geschossen!“ In Erwartung des Anblicks einer fleischbehängten Lady Gaga hebe ich den Blick von der Zeitung, sehe aber nur eine stolz strahlende Blondine, über deren Bauch sich irgendwas Lederfransiges spannt. Meine enttäuschte Sensationslust wird jedoch gleich darauf von einer erstaunlichen Schlagzeile befriedigt: „SPÖ kopuliert mit Rechtspopulisten“.

Mein Leben ist eine endlose Fortsetzung akustischer und optischer Fehlinterpretationen mit gelegentlich verstörenden Folgen für meine Fantasie, aber spätestens seit ich vorige Woche den Entschluss fasste, meine Küche zu streichen, weiß ich: Es gibt Menschen, deren assoziativer Erfindungsreichtum meinen an Irrsinn und vor allem Subtilität um Längen schlägt. Sie sitzen in der Kreativabteilung des Farbherstellers „Farrow & Ball“ im schönen englischen Dorset und taufen Farbtöne. Bei der Suche nach einem Wandton und dem Durchblättern ihres Farbfächers stieß ich auf ein undefinierbares helles Schlammgrau mit dem ansprechenden Namen „Elephants Breath“. Elefantenatem!

Die assoziative Kraft, die in dieser Farbbezeichnung schwingt, wird lediglich noch übertroffen von „Arsenic No 214“, einem tatsächlich etwas ungesund wirkenden Grünton, der vermutlich für die Gestaltung von Gästezimmern entwickelt wurde, in der Hoffnung, der giftige Anblick werde dem übertrieben langen Verweilen ungeliebter Verwandtschaft ein wie auch immer geartetes Ende bereiten. Rule Britannia!

Ich möchte behaupten, die ausgefeilten Ergebnisse solch schöpferischer Arbeit geben direkten Einblick nicht nur ins Innenleben ihrer Verursacher, sondern in die ganze Volksseele. Wie anders ist es zu erklären, dass der deutsche Hersteller Sikkens seine nahezu identische Elefantenatemfarbe lieber unter einem bürokratisch nüchternen „F7.04.77“ anbietet?

Vermutlich braucht ein Volk jahrzehntelange Gehirnmassage durch Monty Python und Ricky Gervais, um sich zu trauen, dem inneren Wildtier auch bei seinen Produktentwicklungen freien Lauf zu lassen. Böhmermann, geh du voran! Auf dass sich ungehemmte Benennungsfreude bei unseren Farbherstellern und Autobauern ausbreitet und ich demnächst für meine Küche einen sanften, exotischen Gelbton namens „Giraffenfurz Nr. 179“ wählen und den Glanzgrad meines Autolacks mit „Antilopenschweiß 89“ bestimmen darf.

Zuletzt noch ein Rat an die SPÖ für den Umgang mit Rechtspopulisten. Wählen Sie für die Koalitionsverhandlungen einen schalldichten Raum, vorzugsweise dekoriert in den Tönen „Elephants Breath“ und „Arsenic“. Verriegeln sie die Fenster, führen Sie die Verhandlungspartner hinein und wickeln Sie sie dort fest in Kalbsleber. Dann verlassen Sie den Raum und verschließen die Tür. Ab hier dürfen Sie Ihren Assoziationen freien Lauf lassen.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.