Die Wahrheit: Sag Ja zum Doping!
Vom Heavy Metal lernen heißt siegen lernen.
Es ist ja nun schon eine Weile bekannt: Man nimmt in Sportlerkreisen gern "eine Kleinigkeit" (Winnie the Pooh) zu sich, weil die schön kräftig macht und das Hamsterrad sich noch ein bisschen schneller dreht. Trotzdem schlagen die nationalen Ethikwarte jedes Mal aufs Neue die Hände über den Köpfen zusammen, wenn ein neuer Dopingfall ansteht. Es ist nicht zu fassen. Ja glaubt denn irgendwer, es ginge ohne? Und selbst wenn, warum sollte es denn ohne gehen, wenn es mit noch viel besser flutscht?
Man muss sich das so vorstellen: Da deutet der Sportmediziner des Vertrauens während einer Untersuchung an, dass man zwar topfit ist, mit ein paar Spritzen aber noch um mindestens 25 Prozent fitter sein wird und dass man die nur früh genug vor dem Wettkampf wieder absetzen muss, dann ist es so, als hätte es sie quasi nie gegeben. "Und sind die schädlich?", wird ein mündiger Sportler nicht uninteressiert fragen. "Ja", wird der Doc antworten, "die gehen schon ein bisschen auf die Pumpe, aber ist das ganze Leben nicht irgendwie ungesund? Und mit 35 bist du sowieso kaputt, bis dahin musst du deinen Schotter in der Tasche haben!" - "Na gut, ich probiere dann mal eine Kleinigkeit …"
Noch ekelhafter als die geheuchelte Verblüffung - denn selbstverständlich wissen die Insider alle davon: nichts ist so laut wie die Empörung der Mitschummler -, noch ekelhafter ist das dem Doping anhängige Tugendgetröte. Warum begreift man nicht, dass Leistungssport keine saubere, ehrenvolle und rühmenswerte Angelegenheit ist und nie war. Es geht hier darum, den Körper extrem zuzurichten, ihn auf eine spezielle Funktion zu reduzieren. Oftmals ist es ja nur ein simpler Bewegungsablauf, in die Pedale treten zum Beispiel, den der Sportler besonders gut können soll. Wie er das anstellt, kann uns doch eigentlich egal sein. Mit anderen Worten, man sollte Doping legalisieren, dann gäbe es auch wieder einen fairen Wettkampf. Wenn einer nämlich nicht bereit ist, sich für sein heilig Vaterland beziehungsweise die Telekom 125-prozentig fit respektive zuschanden zu spritzen, dann soll er nicht gewinnen, dann hat er den Sieg einfach nicht verdient.
Und um dem erwartbar anschwellenden Wutgeheul jetzt gleich mit einem schlagenden Argument Einhalt zu gebieten: So ist es doch in allen Professionen, in denen originäre Leistungen verlangt und honoriert werden. Bei Heavy Metals wusste man das zu allen Zeiten. Das Exorbitante verlangt nun mal besonderen Einsatz. Kein Mensch hätte einer musikalischen Großtat wie etwa "Paranoid" die Bedeutung absprechen wollen, nur weil sich Ozzy Osbourne rund um die Uhr alles in sich hineinschüttete, dessen er habhaft werden konnte.
Nicht mal Temperenzler wie die White Metaller Stryper wären auf die Idee gekommen, über Mötley Crüe, Guns N Roses oder auch Ratt bei der Musikergewerkschaft Beschwerde einzulegen, weil die sich ständig irgendwelche chemische Stimulanzien hinter den Knorpel gießen, durch die Nasen ziehen, in die Venen drücken oder zwischen die Arschbacken klemmen. So was machen doch nur Spielverderber. Nein, seien wir keine Spielverderber, lernen wir einmal mehr vom Heavy Metal: Legalize it!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!