Die Wahrheit: Hutbürgerliche Kost
Wie das Institut für vergleichende Formforschung herausfand, greift der moderne Mensch immer wieder auf die Urform Hut zurück. Der Hut ist form- und sinnverwandt ...
... mit der schützenden Hütte, die im Englischen ja wiederum wie der deutsche Hut geschrieben wird: "hut". In seiner Geschichte musste der Mensch schon immer "auf der Hut sein", und noch im vorigen Jahrhundert gingen weder Mann noch Frau ohne Hut aus dem Haus, was Forscher auf die alten Pilzgene in uns zurückführen. Diese bewirken, dass sich der Mensch im Freien ohne Kopfbedeckung verloren vorkommt wie ein hutloser Pilz. Zudem schmückt der Hut ungemein: "Des Menschen Zierat ist der Hut", verkündete schon Schiller. Und so ist er nicht nur Zierat, sondern auch Symbol der Freiheit. Deshalb erhielten Sklaven im alten Rom auch einen Hut bei ihrer Freilassung.
Doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollte sich das jahrhundertelange Huttrageverhalten grundlegend ändern. Durch das lästige Tragen des Stahlhelms hatte der Hut offensichtlich an Akzeptanz bei der Bevölkerung verloren. Die Trümmerfrauen trugen ohnehin beim Aufräumen lieber Kopftücher, und die Männer brauchten in ihren neuen Wirtschaftswunderautos keine Kopfbedeckung mehr. Bemerkenswerterweise hatte das Auto dieser Zeit, der VW-Käfer, selbst eine hutähnliche Form, was dem stolzen Autobesitzer den Umstieg vom Hut in das Auto sicherlich erleichterte.
Die neue Lage schreckte die Hutindustrie auf und sie versuchte mit einer breit angelegten Werbekampagne die Hutträger zurückzugewinnen. "Man geht nicht mehr ohne Hut", wurde in Anzeigen behauptet. Ging man aber doch. Die Werbung versuchte es schließlich auf die witzige Art: "Warum tragen Frösche keinen Hut?", wurde der unbehütete Konsument gefragt. "Weil sie damit nicht vorwärtskommen!" Im Umkehrschluss wurde dann gefolgert: "Männer tragen einen Hut, weil Männer keine Frösche sind!" Waren sie aber doch, und sie sprangen auch so zufrieden ohne Hut durchs Leben.
Den brauchten sie ohnehin nicht mehr, weil die Mode mit dem Pilzkopf den Frisurenhut erfand, der mit den Beatles seinen Siegeszug rund um die Welt antrat. Danach wurden die Haare immer länger, und anstelle der Hüte poppten überall hutförmige Atomkraftwerke aus dem Boden. Die formvergleichenden Forscher deuteten das als gesamtgesellschaftlich externalisierte Ersatzhandlung des verloren gegangenen Huttragens. Hut ab für diese fein formulierte steile These!
Erst einer mutigen Kernphysikern mit einer eher topfartigen Frisur gelang es, die grassierende Meilermode bei uns wieder abzuschaffen. Sie versprach die Atomkraftwerke erst aus- und dann abzusetzen und hinterließ mit dieser Ankündigung eine merkwürdige Unruhe bei den Formforschern, denn nun entsteht ja eine beunruhigende Formversorgungslücke.
Können hunderttausend grellbunte Fahrradhelme im Landschaftsbild Ersatz für die mausgrauen Meiler schaffen? Oder werden künftig hutförmige Elektroautos durch die Metropolen der Wut-, Mut- und Hutbürger flitzen? Eins ist klar: Wie die Zukunft auch sein wird, sie wird hutförmig!
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