Die Wahrheit: Eilstelldichein mit Kuschelkillern
Zu den wahrscheinlich überflüssigsten Erfahrungen, die man als urban lebender Single überhaupt machen kann, gehört ein sogenanntes Speeddating. ...
... An nur einem Abend trifft man sieben Menschen, die noch viel frustrierter sind als man selbst. Im Prinzip ist das also wie U-Bahn fahren in Berlin oder einkaufen bei Aldi, nur teurer, peinlicher und sinnloser.
Nicht dass man ernsthaft jemanden hätte kennenlernen wollen, als man sich bei einem halbwegs seriös wirkenden Veranstalter anmeldete. Man meldete sich wirklich nur so an! Nur so hatte man auch Stunden auf der Homepage des Speeddating-Unternehmens zugebracht, um das Angebot genau zu prüfen, schließlich hatte man gewisse Ansprüche an den Ort, den Veranstalter und die Teilnehmer. Stattfinden würde das Ganze in einem extrem angesagten In-Lokal, von dem man allerdings noch nie gehört hatte.
Nicht ganz einfach war es, die für sich altersmäßig passende Gruppe auszuwählen. Keinesfalls wollte man ja die Jüngste unter lauter Alten sein oder, was viel wahrscheinlicher erschien, die Älteste unter lauter Jungen. Schließlich buchte man ein Speeddating in der Altersklasse zwischen "34 und 46" und sah freudig der neuen Erfahrung eines irgendwie stylischen und Prosecco getränkten Sex-and-the-City-Abends voller unvorsehbarer Wendungen entgegen.
"Beachten Sie bitte, dass sich die Location kurzfristig geändert hat. Beachten Sie bitte auch, dass sich die Teilnehmergruppe hinsichtlich der altersmäßigen Zusammensetzung kurzfristig geändert hat", wurde einem per Mail kurz vor Veranstaltungsbeginn mitgeteilt. Man war jetzt in der offenen Altersklasse von "25 bis 43" untergekommen, wobei sich vor Ort herausstellen sollte, dass sich die einzige im Raum befindliche 43-jährige Person man selber war! Geschätzte 25 war zum Beispiel die junge Dame am Nebentisch, die zu allem Überfluss exakt aussah wie die Französin, in die sich Leonardo di Caprio in "The Beach" verliebt. Von den männlichen Speeddatern fühlte man sich dann auch deutlich an di Caprio erinnert. Nicht der gereifte di Caprio in "The Beach", sondern der Milchbart in dem frühen Teenage-Horror-Stück "Critters 3 - Die Kuschelkiller kommen zurück".
Dem Horrorgenre zuzurechnen war auch die "Location" mit dunklem Eichenholzmobiliar und blondiert-tätowierter Kellnerin. Eine Bierschwemme erster Güte, in der schnell Stimmung aufkam, und zwar äußerst schlechte. Als jemand in einem fragwürdigen Anzug eine noch fragwürdigere Begrüßungsrede hielt, war nicht nur die Hoffnung auf einen berauschenden Abend, sondern auch die letzte Restwürde begraben.
Am nächsten Tag überlegte man nur ganz kurz, ob der 38-jährige Kandidat mit dem sympathischen Beruf des Inkasso-Dienstleisters nicht trotzdem … schrieb dann aber entschlossen einen Beschwerdebrief an den Veranstalter: Dass das so nicht gehe und nichts werde.
Und weiter? Mit Wok-Kochen für Singles zum Erfolg? Oder gar zur "Fliege-Essenz" greifen? Gott sei Dank hat sich das Problem inzwischen erledigt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!