Die Wahrheit: Intellektuelle Notlandungen
Noch ist Britannien nicht verloren. Der Weihnachtswettbewerb zwischen Charles Dickens und Katie Price ging knapp zugunsten des Klassikers aus ...
Noch ist Britannien nicht verloren. Der Weihnachtswettbewerb zwischen Charles Dickens und Katie Price ging knapp zugunsten des Klassikers aus: "Eine Weihnachtsgeschichte" verkaufte sich etwas besser als Prices Gestammel "Santa Baby". Dickens war nach Erscheinen seines Buchs 1843 zu Lesungen im Land herumgereist, um den Verkauf anzukurbeln. Price machte es genauso, kleidete sich bei ihren Auftritten im November allerdings weniger konservativ als ihr Kollege: Sie trug ein offenes Weihnachtsmannkostüm, rote Strapse und Netzstrümpfe sowie hochhackige Schuhe, damit niemand auf die Idee kam, sich inhaltlich mit ihrem Blubberlutsch zu beschäftigen.
Dickens hatte sein Buch selbst geschrieben, Price hingegen benutzte einen Ghostwriter. Der ist ungemein fleißig. "Santa Baby" ist das 45. Buch, das unter dem Namen der 33-Jährigen erschienen ist. Zurzeit arbeitet er an ihrer fünften "Auto"-Biografie. "Ich hätte gar keine Zeit zum Schreiben, und auf Twitter kann jeder sehen, dass ich in Rechtschreibung schwach bin", sagte Price. Sie ist durch Nacktfotos auf der berüchtigten Seite 3 des Gossenblatts Sun und durch regelmäßige Brustvergrößerungen bekannt geworden. Später ging sie ins Dschungelcamp, warf aber entnervt das Handtuch, weil sie bei den Zuschauern so verhasst war, dass die ihr siebenmal hintereinander ekelhafte Sonderaufgaben zuteilten.
Sie war das erste Boxenluder der Formel-1-Geschichte, sie trat bei Veranstaltungen des Rennstalls von Eddie Jordan auf und legte sich deshalb das Pseudonym "Jordan" zu. 2001 kandidierte Price bei den Unterhauswahlen. Sie versprach den Wählerinnen kostenlose Brustvergrößerungen - und Hirnverkleinerungen für die vollständige "Jordanisierung" Englands. Am Ende bekam sie 713 Stimmen.
Eine davon stammte vermutlich von dem Klotzkopf, der bei der Bezirksverwaltung von Cheltenham nachgefragt hat, welche Vorbereitungen man getroffen habe, falls der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten notlanden müsse. Aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes sind englische Behörden gezwungen, auch die törichtesten Bürgeranfragen zu beantworten. Zum Jahresende veröffentlichten sie eine Auswahl davon.
Die Bezirksräte von Cheltenham mussten erklären, wer für die Rettung des Weihnachtsmanns zuständig sei, wer die Rentiere einfangen und wer den Unfallort absichern würde. Erstaunlich viele Bezirksverwaltungen wurden gefragt, ob sie auf Angriffe von Aliens oder Zombies vorbereitet seien. In Cornwall wollte jemand wissen, wie viele Löcher es in den Trennwänden öffentlicher Toiletten gebe und wie viel man in diesem Jahr für Exorzisten ausgegeben habe. In Hampshire fragte jemand, wie viele Reißzwecken der Bezirksrat besitze und wie viel Prozent davon in Pinnwänden stecken. Insgesamt gab es 2011 knapp 200.000 Anfragen. Die Beantwortung kostete 31,6 Millionen Pfund. Vielleicht sollten die Beamten den Ghostwriter von Price abwerben. Das hätte den günstigen Nebeneffekt, dass die Ergüsse des Boxenluders ein jähes Ende fänden.
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