Die Wahrheit: Die Schreckschraube
Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Elizabeth "Queen" II.
Mittwoch, 21. April 1926: Stechende Wehen, die die noch sehr kleine Elizabeth ankündigen, fegen durch die werdende Mutter. Angst wuchert in ihren Augen. Es riecht nach feuchtem Fleisch, nach rohem Blut, nach nacktem Speichel. Vom Nebenraum hört man zechende, kartenspielende Männer, die tief im Bierrausch abgetaucht sind.
Das Schicksal der Gebärenden ist ihnen so schnurz wie der Hebamme, die weiß, dass viele Weiber bei der ersten Geburt abnippeln. „Es gibt genug andere“, hat der Ehemann mit einer wegwerfenden Handbewegung gesagt. Seit Stunden lärmt die Frau nun schon und stört die Männer bei ihrem Spiel. Doch plötzlich – Stille!!! Und dann: das Quäken eines Balgs.
So kam Elizabeth zur Welt, Elizabeth Watson im schwärzesten walisischen Grubenstädtchen Llagonfainn. Draußen vor dem von Schweiß und Todesangst verschmierten Fenster ziehen Schlägerbanden durch die Gassen, fliegen Fäuste, werden wie jeden Tag Knochen zerrissen. Doch nur wenige hundert Meilen weiter im selben Land, in London, bietet sich an jenem Tag ein anderes, schöner poliertes Bild.
In einem mit Plüsch randvoll ausgekleideten Zimmer liegt Queen Mum wohlig in ihrem weichen Softbett. Von den angesehensten und schönsten Ärzten schmerzfrei gestellt, lächelt sie zierlich dem Hoffotografen zu, während Herzog Albert, der spätere King George VI., ihr weiß behandschuhtes Händchen hält und Prinzessin Elizabeth Alexandra Mary Windsor durch ihren vergoldeten Geburtskanal herausflutscht.
Hirten, Ochs und Esel
Schon verkündet der Zeremonienmeister der Stadt und dem Erdkreis die frohe Botschaft. Und siehe, es kommen die Hirten von den Straßen, das Kindlein zu schauen, Ochs und Esel lugen durch die Fenster des Palastes, ein Stern geht auf über Buckingham, viele Sterne; es ist ja auch Nacht geworden.
So begann, was später als Elisabeth II. jahrzehntelang für Aufsehen in aller Welt sorgen sollte – ein Aufsehen, das anhält, seit das noch sehr junge Ding im Februar 1952 die Stelle als Königin bekam, und bis heute nicht totzukriegen ist. Schon gar nicht 2012, wenn die alte Schachtel ihr 60-jähriges Dienstjubiläum und 86-jähriges Existenzrecht begehen lässt.
Die „Queen“, wie ihr anderer Spitzname lautet, hat sich in diesen Jahren, in denen viele Jüngere gestorben sind, einen astreinen Ruf verschafft: als Mutter von vier vermurksten Kindern ebenso wie als strenge Majestät, die es mit steifem Gesicht registriert, wenn ihr jemand wider die höfische Etikette an die Zwiebeln greift – während andererseits bürgerlicher Anstand und Knigge sie keinen Pfifferling scheren. Von wegen königliche Zurückhaltung!
Immer wieder geschieht es, dass bei der Einweihung eines Schlachthofs oder der Taufe einer Müllverbrennungsanlage die Alte dreist nach vorne schnellt und sich ungeniert im Zenit der Aufmerksamkeit sonnt. Hausdrachen, Spaßbremse und Schreckschraube: peinlich!
Das Volk, das mehrmals Anstalten machte, ihr die Pelle geradezuziehen und die Monarchie für immer auszuräuchern, hat aufgegeben. Kein Skandal, kein Todesfall, kein Attentat – das letzte liegt schon 31 Jahre zurück – konnte die Oma aus dem Sattel drehen. So jubeln ihr denn zum Jubiläum Millionen Untertanen in aller Welt zu, die es im grauen Alltag nicht wagen dürften, den Dreck von ihren Schuhsohlen abzuschlecken, denn so volksnah ist sie nicht, ist das Haus Windsor nicht, auch wenn sich manches heutzutage gebessert hat.
Hitler, Stalin und Elisabeth
Hitler, Stalin, Elisabeth – ja, ein Wildfang war auch sie, ein unangepasstes Mädchen, das den Eltern den Kopf rotieren ließ, dem Premierminister Wasser auf den Hosenstall spritzte und sich früh für Kerle interessierte. Im Zweiten Weltkrieg schloss sich das kleine Luder dem Heimathilfsdienst an, wo der flotte Feger auf Automechaniker lernte. So kannte die kesse Biene früh alle Typen und heiratete am Ende Prinz Philippos Andreou von Griechenland, Dänemark und Ardistan, Kosename: Prinz Paradepferd Philip. Fünf Jahre kugelte die scharfe Braut mit ihm durch die Welt, bis sie 1952 endlich die Beförderung zur Königin in der Tasche hatte. Da ging ein Ruck durch ihre Person, die lustige Büchse verlernte alles und ward ernst.
86 Jahre Elisabeth, 60 Jahre Elisabeth II.: Auch sie, der Helmut Schmidt Englands, hat länger ausgehalten als nötig. Mit kalter Hand und festgefahrener Oberlippe hat sie alle Kümmernisse verwunden und es auch geschluckt, dass unter ihren neun Buchstaben ein Weltreich auf Normalnull eingedampft wurde. Ja, sie hat sogar Anfeindungen überlebt wie die, dass sie nie ein Buch von innen gesehen habe, sondern nur Pferde im Regal stehen habe.
Heute ist Schnee über alle Schicksalsschläge gewachsen, darf Elisabeth II. still und zufrieden sein wie ein gut gefüllter Karpfen, wenn sie auf ihre historischen Taten und epochalen Reden zurückblickt, die wir in diesem Beitrag sämtlich dokumentiert haben. Sie weiß: Ihr Name wird sie überdauern, und noch lange nach 2012 werden die Massen an ihr vorbeidefilieren, wenn sie neben den anderen Ruhmesgewaltigen der Menschheit ausgestopft im Museum steht.
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