Die Wahrheit: Die Rache des hungrigen Paketsklaven
Das Leben könnte viel entspannter und reibungsloser verlaufen, wäre man nicht in so mancher Situation auf seine Mitmenschen angewiesen ...
D as Leben könnte viel entspannter und reibungsloser verlaufen, wäre man nicht in so mancher Situation auf seine Mitmenschen angewiesen – oder sogar abhängig von ihnen. Zu den Zeitgenossen, die eine gewisse Macht über einen haben, zählen unter anderem Finanzamtsachbearbeiter, Schornsteinfeger oder Paketzusteller. Sie alle kann man sich nicht aussuchen. Und das, obwohl sie einem das Leben recht beschwerlich machen können.
Mit meiner Sachbearbeiterin beim Finanzamt hatte ich Glück, sie ist freundlich und hilfsbereit. Zu Schornsteinfegern pflege ich ein neutrales Verhältnis: Sie lassen mich in Ruhe und ich sie auch. Aber Paketzusteller sind für jemanden wie mich, der ständig dies und das im Internet bestellt, ein wunder Punkt. Ich erinnere mich sehnsüchtig an meinen früheren Paketboten, der immer gut gelaunt und gleichzeitig zuverlässig war. Leider ist er seit einiger Zeit im Exil und hinterlässt hier einen Nachfolger, der mich zur Verzweiflung bringt.
Es fing wohl damit an, dass ich dem hungrigen und von seinem Chef vermutlich schlecht entlohnten neuen Paketsklaven keine Pizza anbot. Denn als ich ihn das erste Mal sah, starrte er ungläubig auf das in meinem Ofen gerade brutzelnde Abendessen und ergänzte: „Oh, das ist aber eine Riesenpizza, essen Sie die ganz allein?“ Worauf ich antwortete, dass ich gedenke, meiner Frau etwas übrig zu lassen. Er wirkte sichtlich enttäuscht. Dann nahm das Elend seinen Lauf. Präziser formuliert ist die Zustellung seitdem auf multiplen Ebenen gestört.
Zunächst lernte ich die bemitleidenswerten und bisher unbekannten Nachbarn Weis und List kennen, die offenbar in meinem Fußabstreifer wohnen. Dort hatten sie nämlich zwei Pakete für mich angenommen, während ich nicht zu Hause war. Immerhin waren die Sachen bei meiner Rückkehr noch da. Dass die beiden da wohnen, weiß ich erst aus der immer nützlicher werdenden Online-Sendungsverfolgung. Denn Benachrichtigungskarten, wo und bei wem ein Paket gelandet ist, bekomme ich längst nicht immer. Und wenn, dann erst Tage später per Post.
Weis und List scheinen die Annahme seit Neuestem zu verweigern, weshalb der Zusteller auf andere Nachbarn ausweicht: den Fahrradladen, die Bürogemeinschaft im Nachbarhaus oder eben Unbekannte. Wo genau etwas liegt, muss ich erraten oder durch Trial and Error herausfinden. Kärtchen gibt es ja nicht und online steht es nur manchmal. Neuzugang in der Riege der Nachbarn ist ein gewisser Herr Hueber, der aber weder in meinem Haus noch sonst wo in der Straße aufzutreiben ist. Vielleicht hat der Zusteller das Paket einem gerade anwesenden Passanten in die Hand gedrückt?
Also, lieber Paketbote, ich richte mich jetzt mit dem folgenden versöhnlichen Angebot direkt an Sie: Wenn Sie mir in Zukunft meine Pakete wieder zustellen oder zumindest irgendwo abgeben, wo ich sie wiederfinde, dann bekommen Sie von der nächsten Pizza auch was ab. Sollte ich nicht zu Hause sein, habe ich Ihr Stück bei Weis oder List abgegeben. Schauen sie einfach mal unter die Fußmatte!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben