Die Wahrheit: Prokrastinierende Schneinniedersächsinnen
Fest vorgenommen hatte ich mir, über das Prokrastinieren zu schreiben ...
F est vorgenommen hatte ich mir, über das Prokrastinieren zu schreiben, zumal es seit einiger Zeit zum Syndrom, wenn nicht zur Krankheit hochgejubelt wird wie neuerdings jeder alte Käse. Ich habe nämlich schon prokrastiniert, als ihr noch gar nicht geboren wart. Das war so ziemlich das einzige, was ich nicht verschoben habe im Leben.
Jetzt drängt sich aber doch noch einmal das Thema der ekligen Wörter vor: „Scheinlibanese“, musste ich heute in der Zeitung lesen. Aus meiner temporären Heimat Niedersachsen wird man abgeschoben, wenn man Scheinlibanese ist, also vorgibt Libanese zu sein, es aber nicht nachweisen kann. Jeder von uns könnte ein Scheinlibanese werden mit ein bisschen Geschick. Es scheint jedoch nicht erstrebenswert.
Die betreffende Scheinlibanesin wusste gar nicht, dass sie Scheinlibanesin war, weil sie mit ihren scheinlibanesischen Eltern als Kleinkind eingereist war, die nun angeblich gar nicht libanesisch, sondern hauptsächlich türkisch, also nur scheinlibanesisch waren, so wie ich nur scheinniedersächsisch bin. Deswegen sollen sie keine echten Flüchtlinge gewesen sein, sondern Scheinflüchtlinge.
Die Frau wurde jedenfalls vor sieben Jahren, schwanger samt Kleinkind, aus einem Dorf nahe der wundermilden Stadt Hildesheim geworfen und in die Türkei verbracht. Ein Land, das als ihre Heimat zu betrachten sie bösartigerweise nicht anstrebte. So sind sie halt, die Scheinlibanesen. Widerborstig und untürkisch.
Ihr Mann durfte derweil mit ihren zwei größeren Kindern bei Hildesheim bleiben. Hildesheim ist eine um einen schönen Dom gruppierte Scheinstadt, wie an dieser Stelle erwähnt werden muss. Im Krieg zerstörte Fachwerkhäuser wurden nachträglich so ähnlich noch mal gebaut. Dass es schönere Fußgängerzonen auf Erden gibt, mag allerdings in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen.
Jedenfalls haben alle Eingaben vernünftiger Menschen nichts bewirkt, der Scheinpolitiker Uwe Schünemann von der sogenannten CDU weigerte sich jahrelang, hier irgendeinen Härtefall zu erkennen, und war leider als Innenminister zuständig, da man es versäumt hat, ihn aus Hannover rechtzeitig nach Stadtoldendorf zurückzuschieben, wo er geboren wurde und von mir aus für immer im Sandkasten spielen dürfte.
Stadtoldendorf hätte übrigens Adolf Hitler einst beinahe zum Scheindeutschen gemacht, damit er als Reichspräsident kandidieren konnte, aber Braunschweig war dann doch schneller. Das war lange vor der Geburt von Uwe Schünemann, der dafür nichts kann. Der ideelle Gesamtniedersachse, sturmfest und verwachsen, kann aber doch etwas dafür, finde ich.
Doch da auch in Niedersachsen gewählt werden muss, zum Beispiel im Januar, haben sich nun die Landtagsabgeordneten dafür ausgesprochen, die Frau samt Kindern zu ihrem Mann zurückkehren zu lassen. Sogar die von der CDU! Nach sieben Jahren. Falls sie dafür Applaus erwarten – ich muss das Klatschen leider verschieben. Mal gucken, ob ich in sieben Jahren schon etwas anderes vorhabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite