Die Wahrheit: Täuschen und kreischen
Leierschwänze für den neuen Berliner Flughafen.
Als der weltberühmte Leierschwanzvogel „Chook“ vor einiger Zeit im Zoo von Adelaide an Altersschwäche starb, war die Trauer seiner Fangemeinde groß. Jahrelang hatte der fabelhafte Vogel hunderttausende Besucher verblüfft: Chook hatte sich nicht wie andere Leierschwänze darauf beschränkt, Artgenossen zu imitieren, sondern war offenbar die alte Leier leid und verlegte sich auf Alltagsgeräusche. Der Lärmspezialist konnte „täuschend echt wie eine Kettensäge knattern“, meldete dpa beeindruckt.
Richtige Kettensägen kreischen zwar eher, wie Splatterfilmfreunde wissen, aber auch Kreischgeräusche waren kein Problem für den legendären Chook, der sogar das Hämmern und Schweißen auf einer Baustelle nachahmen konnte. Seine unumstrittene Meisterleistung aber war das Geräusch eines Lastwagens im Rückwärtsgang!
Diese Leistung machte Chook unsterblich, doch sollte der sagenhafte Lärmleierschwanz obendrein in einem pfiffigen Start-up-Unternehmen über seinen Tod hinaus weiterleben. Denn die Fähigkeiten der Leierschwänze müssten doch kommerziell nutzbar sein, dachte sich Ben Foster aus Adelaide und gründete die „Chook and Awe Cooperation Unlimited“. Auf Fosters einzigartiger Geräuschfarm lernen Leierschwänze, Beos und Kakadus lärmende Alltagsgeräusche zu imitieren.
Die Tiere können dann ausgeliehen werden und geschäftiges Treiben an jedem beliebigen Ort vortäuschen. Denn „das Ohr sieht mit“, wenn ein Besucher eine Baustelle besichtigt. Das weiß jeder Baustellenleiter. Schon die VEBs der maroden DDR-Wirtschaft rollten bei Visiten den perfekten Klangteppich für ihre beeindruckten Besucher aus und täuschten so unbändige Produktivität vor.
Der größte Coup gelang Ben Foster jetzt, als er seine lärmerprobte „Hämmer- und Schweißgeräusche-Gruppe“ an das geplagte Management des neuen Berliner Flughafens vermitteln konnte. Die bedauernswerten Manager leiden bekanntlich unsagbar unter der Totenstille auf der verwaisten BER-Baustelle. Denn die Firmen tun dort schon lange nichts mehr. Nun ist die depressive Stimmung durch die lustige Vogelschar einer aggressiven Stimmung gewichen: Es gab richtig Krach!
Die Berliner Baustellen-Firmen sahen sich in ihrer Ehre getroffen, denn Krach machen ist ja das vornehmlichste Ziel eines jeden Berliner Handwerkers. „Da halten wir akustisch gegen“ schimpfte ein aufgebrachter Brandschutzanlagenverlegervertreter, „und wenn wir das gesamte Flughafengelände dabei verrohren müssen!“
Das ist der Geist, der auf einer Großbaustelle herrschen muss! Allerdings sehen das nicht alle so. Die emsigen Leierschwanzvögel haben mit ihrem infernalischen Krawall bereits die erste Bürgerinitiative auf den Plan gerufen. Diese wiederum schlägt routiniert zurück: Die lärmempfindlichen Wutbürger haben bereits eine ganze Beo-Kolonie bei Ben Foster in Adelaide geordert. Die Kampf-Beos kreischen den ganzen Tag in ohrenbetäubender Lautstärke: „Wir fordern Ruhe!“
Traurig, traurig, wie der heutige Beo-Liberalismus funktioniert: Er bedient jede Seite mit teurem Krach, wenn der Kunde nur genug zahlt!
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