Die Wahrheit: Vater Versager – sticht!
Ein neues pädagogisch wertvolles Kartenspiel für benachteiligte Randgruppen soll es Verlierern im sozialen Abseits leichter machen.
![](https://taz.de/picture/150688/14/QuartettVersager.jpg)
Pünktlich zur Landesmeisterschaft der Leistungslegastheniker (LALELU) erobert der Spielefabrikant Schimpf den Spielemarkt und die Herzen von Millionen Kindern. „Asoziale-Väter-Supertrumpf“ ist der prägnante Name des pädagogischen Quantensprungs, der sich bereits in den ersten sechs Monaten nach seinem Erscheinen mindestens ein Dutzendmal verkauft hat. Dass „Asoziale-Väter-Supertrumpf“ nicht längst die Schallmauer von 50 Sales durchbrochen hat, liegt nicht an der unumstrittenen Qualität des Kartenspiels, sondern vielmehr an der Tatsache, dass die Zielgruppe während der Ladenöffnungszeiten schläft. Vergleiche mit dem Zauberwürfel oder Monopoly wiegelt der Konzernchef jedoch bescheiden ab und überreicht dem achtjährigen Alkoholiker Mark in der Sendung „Markus Lanz“ medienwirksam ein Gratisexemplar.
Doch welcher Spielspaß verbirgt sich hinter dem vielversprechenden Namen „Asoziale-Väter-Supertrumpf?“ Als Vorlage dienen die altbekannten Quartettkarten, mit denen sich Kids einst per Leistungsparameter wie Hubraum und Anzahl der Zylinder von Autos und Atombomben duellierten. Es wurden lediglich einige der oben genannten Kategorien ersetzt. Nun gibt es Rubriken wie „Widerlichste Angewohnheit“ oder „Vorstrafenregister“ oder „Alter während der ersten Suchttherapie“. Diese Informationen werden wie gewohnt tabellarisch unter den Fotos der Väter dargestellt. Um das Spiel aber fair und ausgewogen zu gestalten, haben Produktdesigner darauf geachtet, dass nur Bilder von denjenigen Vätern gezeigt werden, die bei Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als 50 Stundenkilometern in einem verkehrsberuhigten Wohngebiet entstanden sind.
Und schon kann’s losgehen! Sieht sich ein Junge beispielsweise auf der Siegerseite, weil einer seiner Väter bereits im Alter von elf Jahren seine Deutschlehrerin verprügelte und seitdem erfolglos versucht, seine Niere zu verkaufen, sollte der Spieler nicht die Rechnung ohne den Spitzentrumpf machen. Denn der ist kaum zu schlagen. Besitzt er doch die widerliche Angewohnheit, Weißwein aus dem Tetrapack zu frühstücken und beim Baden die Socken anzulassen: „Mein Vater schläft bis abends und pinkelt ins Waschbecken – sticht!“, ruft der junge Spieler dann flink.
„Never change a winning Kinderspielzeug!“, so der entschlossene Kommentar vom Hersteller Schimpf. In der Tat erscheinen die 32 Pappkarten mit ihren bunten Bildern und vielen Zahlen im Gegensatz zu modernen Gameboxen auf den ersten Blick ein wenig hausbacken. Doch auch älteren Kindern erschließt sich der tiefere Sinn des Spiels bereits nach wenigen Partien und ein paar Gläsern Schnaps. „Lerning by Losing“ ist die Devise, und entsprechend ist im Gesamtprodukt nicht nur das Spiel selbst enthalten, sondern auch ein Fläschchen Absolut-Caprisonne.
„Die Kinder sollen spielerisch von ihrem sozialen Umfeld, insbesondere von ihrer Familie, enttäuscht werden. Der Druck wird dann von den Vätern genommen, da ihre Kinder die Möglichkeit haben, ohne Perspektive und Ansprüche aufzuwachsen. Quasi im Vorüberwanken lernen sie am Modell, eigene Lebensabwege zu finden und zu scheitern“, kontert Schimpf die Kritik von Sozialverbänden und anderen Institutionen wie zum Beispiel der Interessengemeinschaft „Moral in Organisationen, Familien und Arbeitsgemeinschaften“ (MOFA), die Schimpf Kontakte zu Scientologen unterstellt.
„Offensichtlich wird hier der Versuch unternommen, eine Sonderschulbildungselite heranzuzüchten, wie wir sie aus den Kaderschmieden der Gaststätte Brückenschänke in Wuppertal-Barmen nur allzugut in böser Erinnerung haben!“, wettert der Pressesprecher von MOFA, Werner Krämer, der auch einziges Mitglied von MOFA ist.
Bleibt zu hoffen, dass beide Parteien sich gütlich einigen im Sinne der Titelmelodie einer der erfolgreichsten Delfinserien aller Zeiten und auch wohl der einzigen, in der es heißt: „Flippern ist unser bester Freund!“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Zwei Todesopfer nach Anschlag in München
Schwer verletzte Mutter und Kind gestorben