Die Wahrheit: ¡Hossa, Splash, Melt!
Mit wenigen Handgriffen lassen sich auch die aufwendigsten Open-Air-Festivals zu Hause nachbauen. Fünf Dinge gilt es dabei zu beachten.
Die Festivalsaison hat ihren Zenit längst erreicht. Und im Gegensatz zu anderen Dingen, die ihren Zenit längst erreicht haben, wie etwa vergammelte Käsebrötchen hinter dem Kühlschrank oder Günther Oettinger, sind tatsächlich Auflösungserscheinungen zu erkennen.
Nur noch wenige der kreischbunten Plakate hängen in den Städten herum und kündigen den hundertfünfzehnten Open-Air-Auftritt der Orsons, von Frittenbude oder Kraftklub an oder rauben dem Musikfreund mit einem wirren Cluster unleserlicher Band-Logos das Augenlicht. Die Logos stammen von Bands, die irgendwann mal cool waren, von Bands, die nie cool waren, von Elektrobands, die den Begriff „Live-Musik“ eher ironisch konterkarieren und von Seeed.
Aber die gute Nachricht ist: In einem Liegestuhl sitzen und dich drei Tage lang betrinken, schlecht schlafen und wenig duschen kannst du auch daheim. Alles, was du dazu brauchst, ist eine große Portion Mut (oder wahlweise Ignoranz) gegenüber Nachbarn, schlafenden Babys und die folgenden fünf Dinge:
1. Einen Festivalnamen
Wie soll dein Festival heißen? Bist du mehr so der coole Typ – dann heißt dein Festivals kurz und crazy „Melt!“, „Splash!“, „Bäng!“, „Ka-Boom!“, „Rängslängedäng!“? Oder soll es in die alternative Richtung gehen? Dann empfehlen sich verträumt-nostalgische Namen wie „Tanzfest Rudolstadt“ oder „Oma Plüschs freche Radieschen-Sause“. Blick an dir herunter, atme tief durch, und beantworte die folgende Frage: Wie sieht deine Hose aus? Der Hosenumfang ist umgekehrt proportional zur Namenslänge deines Festivals. Außerdem gilt: Je weiter die Hose, desto lautmalerischer und amerikanischer dein Festivaltitel. Trägst du Baggypants, ist es ganz einfach: Krame einen alten Comic hervor und suche eine Staubwolke. Das Wort, das darüber steht, soll der Name deines Festivals sein!
2. Ein Festivalbändchen
Das ist ganz wichtig. Festivalbändchen gehören zum Festivalfeeling wie die Warze zum Warzenschwein. Wie sonst sollen die Ordner Bescheid wissen, wen sie drangsalieren müssen? (Für Laien: Ordner sind entweder Leute, die aussehen wie eine Mischung aus den Village People und dem unglaublichen Hulk oder kleine Kästen, in die man Dateien ziehen kann.)
Ein Armbändchen muss also her. Auch das ist ziemlich einfach: Wenn du eine gute Freundin hast, lass es dir von ihr unter Freudentränen häkeln. Wenn du sehr dicke Arme hast, nimm ein Stirnband, bei sehr dünnen Armen reicht ein Haargummi. Alle anderen sollten sich eine Familienpackung Süßigkeiten der Sorte „Saure Apfelringe“ besorgen. Der Vorteil dabei ist: Da kannst du noch viele andere Freunde auf dein Festival einladen. Und nebenbei lecker schnabulieren.
3. Bier
Bier ist ganz wichtig. Da sind sich alle einig. Umstritten ist jedoch die Frage, wie viel Bier man genau pro Person mitnehmen muss. Manche Wissenschaftler vermuten, es gelte die Formel „Anzahl der Tage mal Körpergewicht durch 20 mal 1.000“, mit der auch die Gewichtszunahme in der Vorweihnachtszeit berechnet wird. Andere Forscher halten das für unwahrscheinlich. „Da muss mindestens noch eine Null dran“, behaupten sie.
4. Outfit
Die Frage nach dem richtigen Outfit gehört zu den ungelösten Menschheitsfragen und kann einen schon mal zur Verzweiflung treiben. Aber wer soll bei Kleidungsvorschriften wie „Orange ist das neue pink“, „Nackt ist das neue schwarz“, „Bärenkostüm ist das neue Giraffenkostüm“ auch noch durchblicken? Es ist kalt und unübersichtlich geworden in dieser postmodernen Zeit. Doch bei einem Festival ist alles wieder ganz einfach und ursprünglich: Unterhemd, Boxershorts, Liegestuhl, fertig. Eigentlich ist alles so wie sonst auch immer – nur mit Boxershorts.
5. Musik
Braucht eigentlich kein Mensch. Wie sagte ein befreundeter Musiker unlängst? „Das schlimmste am Musikerberuf sind die Musiker – gleich nach der Musik.“
So. Jetzt hast du alles zusammen, was du zur erfolgreichen Durchführung eines richtigen Festivals brauchst! Sobald du dich für einen Namen zwischen „Peng!“ und „Tante Lunas Regenbogenringelpiez unterm Blütenbaum“ entschieden hast, kannst du dich auf deinen Liegestuhl setzen und drei Tage lang Bier trinken, dich über dein nerviges Bändchen aufregen oder beim Handstand machen den Autoschlüssel verlieren.
Dafür musst du keine 140 Euro Eintritt bezahlen und die Anfahrt ist auch kein Problem. Und: Das Ganze geht auch drinnen. Wenn du aber einen Balkon oder einen Vorgarten hast, solltest du diesen unbedingt nutzen. Denn schon der Marburger Teilzeitgelehrte Peter Janicki schrieb: „Rausgehen ist wie lüften. Nur krasser.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich