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■ Die Wahrheit zitierte Jesaja zur Flut. LeserInnen finden weder das noch die Überschriften der letzten Tage angemessen.Verkrampfte Schlagzeilen

betr.: Die Überschriften der taz zur Flut, „Gurke des Tages“ auf der Wahrheit: „Voller Freude werdet ihr Wasser schöpfen an Gottes reichen Quellen, aus denen euch seine Hilfe strömt. Jesaja 12, 3“, taz vom 17. 8. 02

Liebe Leute, eure Schlagzeilen kotzen mich zur Zeit nur noch an! Ich kann nicht nachvollziehen, wie ihr in der derzeitigen Situation immer noch verkrampft auf Humor macht.

Ich habe das Hochwasser hier in Passau miterlebt, wir waren einen Tag lang in unserem Haus eingeschlossen und die Aufräumarbeiten dauern hier immer noch an. Alles ist noch klamm hier, die Mauern feucht, alles voller Dreck und Staub. Ich empfinde uns nicht als besonders stark betroffen, da wir außer Müll nichts verloren haben. Aber als ich dann nach ein paar Tagen vier taz-Ausgaben gleichzeitig aus dem Kasten holte, alle mit gleich saublöden Titeln, hätte ich sie euch ins Gesicht knallen können.

P. S. Wir wär’s mit Hilfe? Zum Beispiel mit einer Koordinationsstelle für Privatleute, die von außerhalb kommen, aber nicht wissen, wo sie am meisten gebraucht werden und am besten helfen können beim Aufräumen? ULRIKE BLOCK, Passau

Da ertrinken Menschen, andere verlieren ihre Existenz in den Fluten – und die taz wetteifert um die witzigste Überschrift: „Elbe auf Städtetour“ – „Stadt im Fluss“ – Schwimmendes Schauspiel“ – „Alte Meister werden feucht“ – „Bitterfeld will nicht absaufen“ …

Sosehr ich mich in politischen Auseinandersetzungen auf und dann über die witzigen und frechen Schlagzeilen der taz freue, so sehr entsetzen sie mich zurzeit angesichts des menschlichen Elends, das sie beschreiben oder kommentieren wollen. Und so gut mir die manchmal frechen, respektlosen Ohrfeigen gefallen, die die zur Ideologie erstarrten Scheinreligionen von Zeit zu Zeit von der taz einstecken müssen: Mit der Auswahl der „Gurke des Tages“ hat die Redaktion (mal wieder) sich selbst blamiert:

Da klammern sich Menschen in größter Not an ihre Religion und finden Trost in der Bibel – und „meine taz“ wählt diesen Text. Dass er in einer (wasserarmen) Wüstengegend gebetet und niedergeschrieben wurde, geografisch und übertragen auch soziologisch und historisch aus einer nach Gerechtigkeit dürstenden Zeit stammt, wird übersehen.

Ein Freund vermutet, das liege an dem „unausgegorenen, der Vorpubertät vergleichbaren Berliner Antiklerikalismus“. Das täte mir Leid, dann müsse ich auf die taz so lange verzichten, bis sie aus der Pubertät heraus ist und mir wieder erwachsener, witziger, frecher Gesprächspartner geworden ist. HUBERT RIES, Gutweiler

Bislang habe ich meistens die Treffsicherheit eurer unkonventionellen Überschriften bewundert. Nicht so bei den Schlagzeilen zur Flutkatastrophe auf der ersten Seite – müssen sich da die Opfer nicht eher verhöhnt vorkommen?

Die Gurke des Tages habt ihr euch mit der Gurke des Tages vom Sonnabend geleistet: Der zitierte Bibelspruch ist zu Menschen gesagt, die durch die Wüste ziehen – das pfeifen die Spatzen von jedem Dach. Ihn auf die aktuelle Flutkatastrophe zu beziehen, ist blanker Hohn. Fundamentalisten, die historische Hintergründe ignorieren, seid ihr doch nicht, oder? JÜRGEN HÜBNER, Mauer

Den „Jesaja 12, 3“ abzudrucken, ist respektlos und eine Verunglimpfung der Hochwasseropfer, die aus den Psalmen Kraft schöpfen können. Überlegt euch mal lieber, warum die Bibel in der Welt das meistgelesene Buch ist und sich Jahrhunderte lang über Wasser halten kann. B. LUGENBIEHL, Zell

Ich finde den Text Jesaja-Text sehr schön und poetisch, und nur weil Wasser und strömende Quellen darin vorkommen, erfüllt er noch nicht die Kriterien, als Satire serviert zu werden. Ich liebe vieles an der Bibel, und ich liebe vieles an der taz, deshalb möchte ich nicht, dass die eine sich um eines mageren vordergründigen Scherzes willen über die andere lustig macht.

Wahrheitklub-Mitglied ANNELI BAUM-RESCH, Mainz

Ich finde es ja sehr positiv, dass die taz sich entschlossen hat, Bibelzitate zu drucken. Auch noch eine Verheißung aus dem Propheten Jesaja! Könnte eine Dauereinrichtung werden, z. B. für christliche Sozialisten oder sozialistische Christen. Wie wäre es mit dem Abdruck der täglichen Losung der Herrnhuter Brüdergemeine? Nur … warum als Gurke des Tages? Steht da nicht sonst was eher Komisches oder Groteskes? WOLF SCHMIDT, Mainz

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