■ Die Wahlen in Brandenburg werden vorgezogen: Gewinner Stolpe
Die saubere Lösung soll nun in Brandenburg praktiziert werden. Doch vorgezogene Neuwahlen sind die Lösung vor allem für die Regierungspartei SPD und ihren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Sie kann praktisch nur gewinnen. Will man den Demoskopen Glauben schenken, dann würden sieben von zehn BrandenburgerInnen Stolpe lieber heute als morgen im Amt des Ministerpräsidenten bestätigen. Daß PDS, CDU und Bündnis mitziehen, hat unterschiedliche Gründe. Biskys PDS darf sich beim kommenden Wahlgang einen wachsenden Wahlerfolg erhoffen; die Erfolge in Brandenburg und bei den Europawahlen sollen helfen, im Herbst bei der Bundestagswahl die Fünfprozenthürde zu meistern. Die Brandenburger CDU mußte dagegen vom Bonner Generalsekretär der Christdemokraten, Peter Hintze, auf den neuen Kurs erst eingeschworen werden. Mit Querschlägern aus den Reihen der Abgeordneten, die aus dem Landtag ausscheiden, ist nicht mehr zu rechnen. Weil die SPD beantragt hat, namentlich über die Auflösung des Landtages bei der Sondersitzung im April abzustimmen, würde jeder, der sich gegen vorgezogene Neuwahlen ausspricht, sich damit als profaner Diätenhai outen.
Manfred Stolpe wird die Entscheidung über Neuwahlen dazu nutzen, die anhaltende Debatte über seine drei Jahrzehnte währende Stasi-Verstrickung auf quasi plebiszitärem Weg vom Tisch zu kehren. Mit dem Ende der Legislaturperiode endet der Auftrag des nach ihm benannten Untersuchungsausschusses. Wird im Juni gewählt, muß das Gremium seine Arbeit einstellen, ihm bleibt keine Zeit für einen abschließenden Bericht, geschweige denn für eine ausführliche Bewertung der Tätigkeiten des IM „Sekretärs“. 48 geheime und 26 öffentliche Ausschußsitzungen, fast 100.000 Blatt beschriebenes Papier und Kosten von rund eineinhalb Millionen – wer wird das schon wiederholen wollen. Die Forderung, nach der Konstituierung des neuen Landtages einen neuen Ausschuß einzusetzen, der dann wieder ganz von vorne beginnen müßte, dürfte kaum durchzusetzen sein.
Die SPD kann Neuwahlen auch deshalb erleichtert zustimmen, weil sie nicht über eine Vertrauensfrage von Stolpe zustande kommen. Der Ministerpräsident hat in den vergangenen zwei Jahren zwar wiederholt mit einer Vertrauensfrage gedroht, er hat sie aber nur zur Disziplinierung des Koalitionspartners Bündnis genutzt. Die Drohung wahrzumachen wäre für ihn einem Schuldeingeständnis, einer „Desertion“ gegenüber seinen Brandenburgern gleichgekommen. Den sicheren Wahlsieg in der Tasche, kann Stolpe nun auf ein Ende der ihn belastenden Debatte hoffen. Für die Aufarbeitung der Tätigkeit der Staatssicherheit ist das ein Tiefschlag – vielleicht wird aber damit auch der Blick frei, die Regierungsqualitäten Stolpes auszuleuchten. Wolfgang Gast
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