: „Die Wahl ist ein Theater, eine PR-Show“
Bei den Präsidentschaftswahlen steht der Sieger trotz Gegenkandidaten fest. Dennoch proben Ägypter Demokratie
KAIRO taz ■ Zarloul, der Mangoverkäufer im Zentrum Kairos, beginnt den Tag ganz im üblichen Stil, wenn in Ägypten des Volkes Meinung abgefragt wird. Zum festlichen Anlass der Präsidentschaftswahlen hat er sich ein Bild des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in den Turban geklemmt. „Mein Hirn ist größer geworden“, witzelt er gegenüber den vorbeifahrenden Autos. Er zweifelt nicht im Geringsten, dass seine Loyalität dem alten und wahrscheinlich neuen Präsidenten gilt, auch wenn Mubarak erstmals gegen neun andere Kandidaten antritt. Wenngleich das Ergebnis feststehen dürfte, zeigt sich im Wahllokal 23 gleich um die Ecke, dass sich doch ein paar Dinge geändert haben. Als am Morgen eine Mubarak-Band mit Trommeln und Gesang vor das Wahllokal zieht, wird sie nach ein paar Klängen des Weges geschickt. Die unabhängigen Wahlbeobachter haben sich sofort beschwert, dass Wahlwerbung in unmittelbarer Nachbarschaft des Lokales verboten sei. Als später ein Mubarak-Lautsprecherwagen ein paar Runden drehen will, wird er sogar ausgepfiffen. „Ich bin positiv überrascht“, erklärt Ziad Abdel Tawad, der als unabhängiger Beobachter einer Menschenrechtsgruppe vor dem Wahllokal steht. „Diesmal haben sich alle weitgehend an die Regeln gehalten“, erzählt der 23-Jährige, der sonst in Paris Jura studiert und sich in den Ferien als Wahlbeobachter in seinem Heimatland hat ausbilden lassen. Ihm sei sogar erlaubt worden, drinnen die Listen der abgegeben Stimmen durchzugehen. Bis Mittag waren 900 der 6.000 dort registrierten Wähler erschienen.
Im Wahllokal steht ein Richter und versucht den Überblick zu behalten, überprüft Wahlkarten und weist immer wieder die Polizisten vor der Tür an, für eine geordnete Schlange zu sorgen. „Wer gewählt hat, verschwindet“, dröhnt er durch den Raum, sichtlich gestresst von seiner Rolle, als Einziger bis zur Schließung um zehn Uhr abends zu garantieren, dass alles mit rechten Dingen zugeht, bevor er anschließend die Auszählung prüft. „Die Richter sind die Augen der Öffentlichkeit“, bescheinigt der Menschenrechtler Gasser Abdel Rasek den ägyptischen Kadis. „Doch mit 14 Stunden lang geöffneten Wahllokalen und anschließender stundenlanger Auszählung, fürchtet er, „werden die Richter vor allem am Ende Mühe haben, sich alleine jeglichem Wahlbetrug entgegenzustellen“. Doch zumindest mittags hält der Richter des Lokales 23 die Stellung und gönnt sich zum Mittagsgebet eine kleine Pause. Nicht aber, ohne zuvor den Polizisten zu befehlen, das Wahllokal für ein paar Minuten zu schließen. „Ich möchte, dass hier keine Ameise durchkommt“, lautet seine eindeutige Anordnung, die strikt befolgt wird.
Nicht überall ging es allerdings so diszipliniert zu wie im Wahllokal 23. Vor einem anderen Wahllokal unterhalb der Saladin-Zitadelle fand bereits am Morgen eine regelrechte Mubarak-Party statt. Musikalische Einpeitscher machten noch einmal eindeutig klar, wem die Stimme gilt. Doch nicht nur Mubaraks Anhänger, auch seine Gegner, die die Wahl als Farce bezeichnen, haben mobilisiert. Am Platz der Befreiung im Herzen Kairos sind mehrere tausend Vertreter der Kifaya-Bewegung zusammengekommen, unter dem Motto „24 Jahre Mubarak sind genug“. Es war die bisher größte Anti-Mubarak-Demonstration in der Geschichte seiner Amtszeit. Während sie auf der eine Seite des Platzes den Sturz Mubaraks fordern, will eine kleinere Gruppe von Mubarak-Anhängern ihm auf der andere Seite grölend und trommelnd ihr Blut und ihre Seele geben. Zwischen den Fronten versuchen sich die Autos durch den Kairoer Stoßverkehr zu quälen. „Die ganze Wahl ist ein Theater ohne ernsthafte Gegenkandidaten zu Mubarak – eine PR-Show“, sagt der Ingenieur Wael Khalil, einer der Organisatoren der Kifaya-Bewegung den Tag. „Wie kann man echte Wahlen abhalten, unter Ausnahmezustand und mit 30.000 politischen Gefangenen?“, moniert er. KARIM EL-GAWHARY