■ Die Vorschläge zur Neuordnung des Abgeordnetenrechts: Zum Verdrießen
Das ist schon eine wundersame Verwandlung, die über die Kissel-Kommission gekommen ist. Noch ihr Zwischenbericht vom Februar war – abgesehen von der unsensiblen Empfehlung, die Diäten um gleich 3.000 DM anzuheben – ein akzeptabler, in weiten Teilen sogar mutiger Vorschlag zur Neuordnung des Abgeordnetenrechts. Dann aber folgte die Anhörung der Betroffenen am 25.März. Als wir Grüne um 17 Uhr dran waren, zeigten sich die Kommissionsmitglieder geschlaucht von dem Gewitter an Kritik und Anmache, das seit 9 Uhr morgens auf sie niedergeprasselt war. Wie dem Protokoll zu entnehmen ist, bestritten einige der Abgeordneten von CDU/CSU, SPD und FDP den Kommissionsmitgliedern schlicht die Kompetenz und klagten weh über die materiellen Bedingungen des Abgeordnetendaseins. Allein die Grünen begrüßten damals einen Teil der Zwischenergebnisse – so die drastische Verringerung des Übergangsgelds, die Anpassung der Abgeordnetenversorgung nach unten und die Abschaffung des Privilegs der Abgeordneten, eine steuerfreie Aufwandpauschale ohne Nachweispflicht zu erhalten. Von all dem finden sich nur noch Ansätze in dem Bericht. Geprägt wird er von der Empfehlung, die Diäten auf 14.000 DM explodieren zu lassen. Anders als die Sendler- Kommission, die kürzlich – dem Mißfallen der SchatzmeisterInnen von CDU, CSU, SPD und FDP zum Trotz – eine grundlegende Neuorientierung der Parteienfinanzierung verlangte, knickten Kissel und Co. leider ein. Ihr Bericht ist in weiten Strecken eine Gefälligkeitsarbeit. Heute sind wir in der paradoxen Situation, gegen die Kommission deren ursprüngliche Vorschläge und Ideen verteidigen zu müssen.
Erkennbar ist ihr Bemühen, der geballten Kommissionsverdrossenheit der PolitikerInnen im Treibhaus Bonn auszuweichen. Dabei hat die Gruppe aber die außerhalb herrschende Politikverdrossenheit übersehen, die – sollten ihre Vorschläge umgesetzt werden – weiter angeheizt würde. So wundersam ist die Verwandlung also gar nicht: Massiver politischer Druck erzeugt Nachgeben. Michael Vesper
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