Die Vorschau: Erhabener Krach, brutaler Rock
■ Laddio Bolocko aus New York spielt am Sonntag mutmaßlich das Konzert des Jahres
Es ist ein Jahr her, da kamen vier Männer aus Brooklyn nach Bremen, um im Wehrschloss zu spielen. Vor ihnen traten noch Farewell Bends und Bluetip auf. An beide Bands war allerdings kein Gedanke mehr, als sich die New Yorker ans Werk machten, deren Schlagzeuger einst Teil der Dazzling Killmen war, bei deren Erwähnung wiederum Musikliebhabern regelmäßig ein Leuchten in die Augen tritt.
Die vier Männer, die zusammen die Band Laddio Bolocko sind, spielten eines der beeindruckendsten Konzerte des letzten Jahres. Freie Form, komplexe Rhythmen, brutal fragmentierter Rock, überblasenes Saxophon und erhabener Krach. Bersten. Beherrschte Wut. Spielerischer Irrsinn. Nicht wenige, die sich eher an dem konventioneller formatierten Hardcore und Rock der ersten Bands delektiert hatten, waren zu zaghaft, dem Parforce-Ritt in ein Land zu folgen, in dem die ehernen Gesetze des Rock außer Kraft gesetzt, die gewohnten Parameter nicht galten.
Wer geblieben war, stand jedoch leuchtenden Auges und offenen Mundes vor der Bühne, dann und wann versonnen an seinem/ihrem Bier suckelnd, oder – in jenen Momenten der maximalen, zermalmenden Intensität – schrie vor Begeisterung, sowieso unmöglich zu hören bei der Lautstärke. In diesem Augenblick ganz ohne jeden Zweifel die vorstellbar geilste mögliche Musik.
Mit Laddio Bolocko unterwegs: Melted Men. Ein Mann im Hühnerkostüm, der sich mit Vorliebe im Zuschauerraum tummelt, während Seltsames elektronischer Provenienz ertönt, hergestellt von einer zweiten Person. So ähnlich lauten die spärlichen Informationen über Melted Men, was uns noch ein wenig Platz lässt, über Karoshi, die dritte Band des Abends zu sprechen. Sie passen eigentlich ganz gut zu Laddio Bolocko, weil auch sie gesangsfrei eher offene Formen herstellen und wie jene Geräusche aus dem Sampler benutzen. Dass dabei manche Leute bei der Not, die Musik von Karoshi zu beschreiben, den guten, alten, längst für immer verschieden geglaubten Begriff vom Jazz-Core aufleben lassen, ist nicht ganz unwitzig.
Dabei ist diese Benennung übrigens durchaus irreführend, weil zwar die analoge Seite ihrer Musik schlankweg Rock in einem fortschrittlichen Sinne, und die synthetische eben eher elektronische Hör-Musik ist, als dass hier Jazz zu hören wäre. Unter der Vielzahl von Ergebnissen des Versuchs, Elektronik und Rock zu vermählen, dürfen Karoshi durchaus von sich behaupten, einen eigenen Weg zu gehen, auch wenn der Rezensent von der „Spex“ das Debüt „Pearl Harbor“ allergemeinst als „gut gemeintes“ Album schmähte. Ob sie sich auf der Bühne hinsichtlich der Durchschlagskraft an Laddio Bolocko messen lassen können, werden wir ja sehen. Leute, die sich für Musik interessieren, sollten sich dieses Konzert jedenfalls nicht entgehen lassen. Andreas Schnell
So ab 21h im Jugendhaus Friesenstraße
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen