Die Verzweiflungs-Steuer : KOMMENTAR VON HANNES KOCH
Die so genannte Reichensteuer hat genau einen Vorteil: Möglicherweise können sich Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen darauf einigen, sie einzuführen. Ansonsten ist sie von Nachteil: Sie bringt nicht viel ein, suggeriert bloß Gerechtigkeit und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Steuerpolitik.
Ein Haushaltsloch von 35 Milliarden Euro lässt verzweifelte Politiker nach kreativen Lösungen suchen: Im Gespräch ist daher unter anderem, Singles über 250.000 Euro Jahresgehalt und Ehepaaren jenseits der 500.000 Euro zusätzliche 3 Prozent Einkommensteuer abzuverlangen. Das ist das Gegenteil dessen, was Rot-Grün sieben Jahre lang praktiziert hat. Unter der Ägide von SPD-Finanzminister Hans Eichel sank der Spitzensatz der Einkommensteuer von 53 auf 42 Prozent. Das war zwar überzogen, hat aber doch die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Steuersystems in der globalisierten Wirtschaft gestärkt. Selbst nach einer Neuwahl sollte die Bundesregierung vermeiden, sich selbst zu widersprechen und ihre Bürger mit einem ewigen Hin und Her zu nerven. Falsches wird nicht dadurch richtig, dass man das Gegenteil tut.
Außerdem würde der Staat durch die Reichensteuer nur etwa 1 bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr einnehmen. Wegen dieser im Vergleich zur mutmaßlichen Erhöhung der Mehrwertsteuer kleinen Summe hat die Linkspartei die Idee gestern zu Recht als „Gerechtigkeits-Placebo“ bezeichnet. Die SPD braucht einen vorzeigbaren Sieg, um ihrer Anhängerschaft die Zustimmung zur steigenden Mehrwertsteuer schmackhaft zu machen.
Ja, der Staat benötigt mehr Geld. Dafür gibt es jede Menge gute Ideen – angefangen bei der Subventionsliste, die Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) vor zwei Jahren ausgehandelt haben. Zudem haben zahlungswillige Millionäre gerade per Zeitungsanzeige erläutert, wo das eigentliche Problem liegt: Die hiesigen Steuern auf Vermögen und Immobilien sind im internationalen Vergleich quasi nicht vorhanden. Hoch mit der Erbschaft- und Grundsteuer! Häuser können nicht fliehen – im Gegensatz zu Einkommen.
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