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■ Die Verhandlungen in Sotschi über die SchwarzmeerflotteUnter der Mole

Warum können ukrainische und russische Kriegsschiffe nicht im gleichen Hafen, die Matrosen beider Länder nicht in den gleichen Hafenbordellen liegen? An den dem historischen Stadtzentrum von Sewastopol nahen Kaianlagen wäre genügend Platz für den größeren, den russischen Teil der Schwarmeerflotte, der kleinere, ukrainische könnte sich im Westen, zu beiden Seiten des alten griechischen Chersones, ausbreiten. Die Russen könnten ihr Gelände langfristig pachten – ein Blick in die Archive der US-Navy (z. B. die Basen auf den Phillipinen betreffend) könnte den Verhandlungsprozeß mit Leichtigkeit beschleunigen. Eidesleistungen bei gemischten Mannschaften? Kein Problem, jeder schwört auf seine Fahne.

Wenn nur nicht die eine Fahne das Andreaskreuz, das Heilige, wäre. Das Gros der Offiziere auf der einst stolzen, jetzt sanft vor sich hinrostenden Schwarzmeerflotte denkt russisch – genauer gesagt großrussisch. Gleiches trifft auf die Einwohnerschaft Sewastopols zu, von den Legionen russischer Ex-Nomenklaturisten, die ihren Lebensabend an den Gestaden der Krim verbringen, ganz zu schweigen. Sie alle halten den Mythos der Flotte hoch, ihren Triumphen seit der Zeit Katharinas II. Schon die vereinbarte Teilung (mittlerweile im Verhältnis 70:30) hinterließ ein Trauma. Aber Sewastopol aufgeben? Niemals!

Bei dieser Ausgangslage blieb dem ukrainischen Präsidenten Kutschma bei seinen gestrigen Verhandlungen mit Jelzin in Sotschi nur der Teilrückzug. Hafen, Fluganlagen sowie die logistischen Zentren der Küstenwache bleiben unter russischer Kontrolle. Jetzt kann der Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Rußland und der Ukraine unterzeichnet werden. „Wenn zwei Flotten nicht in einer Stadt existieren können, von welcher Freundschaft reden dann die Russen eigentlich?“ fragte sich dieser Tage Admiral Bezkorovainy. Der Mann kommandiert die ukrainische Flotte.

Kutschmas Nachgiebigkeit wird sofort einsichtig, wenn man vom militärischen aufs ökonomische Terrain wechselt. Auf geradezu verzweifelte Weise ist die Ukraine vom allzunahen Nachbarn abhängig. Dort – und nicht wie bis 1917 im Westen – liegt der Absatzmarkt für ihre Agrarprodukte, für die Erzeugnisse ihrer ebenso überdimensionierten wie hochsubventionierten Schwerindustrie. Von dort bezieht sie im Gegenzug Erdgas und Erdöl. Eine außenwirtschaftliche Alternative ist nicht absehbar. Daß weiß auch die Mehrheit derer, die für die Unabhängigkeit der Ukraine gestimmt haben. Christian Semler

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