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■ Die Verfahren zur automatischen Gesichtserkennung werden immer besser. Computerprogramme können demnächst sogar einzelne Personen aus größeren Menschenansammlungen herauspicken Von Wiebke RögenerAuf Schritt und Tritt verfolgt

Den Banken und Kraftwerken dienen sie schon heute als ein elektronischer Pförtner – computergestützte Kameras.

Ihr Interesse an diesen Geräten zeigt jetzt auch die Polizei.

Guten Morgen Hans-Dieter“ oder „Willkommen Gisela!“ grüßt so mancher PC seinen Besitzer. Die Freundlichkeit wirkt immer ziemlich aufgesetzt. Schließlich kennt die Maschine ihr Gegenüber gar nicht und würde jeden mit der gleichen höflichen Floskel willkommen heißen. Allenfalls ein Paßwort kann den Zugang beschränken. Doch mag sich dieses unpersönliche Verhältnis bald ändern: Vielleicht beginnt mancher Rechner demnächst nur zu arbeiten, wenn der oder die Richtige ihm auch freundlich zulächelt.

Zahlreiche Wissenschaftler arbeiten daran, Software zu entwickeln, die sich Gesichter einprägt und von anderen zuverlässig unterscheidet. An solchen Projekten hoch interessiert zeigten sich in den USA neben dem Militär auch die Einwanderungsbehörde und die Drogenfahnder der „Drug Enforcement Agency“. So beauftragte die US-Regierung das „Army Research Laboratory“ (ARL) damit, die Entwicklung von Programmen zur Gesichteridentifizierung zu fördern und die beste Lösung zu finden. Die Siegespalme in einem vom ARL organisierten Wettbewerb errang im vergangenen Jahr ein von Wissenschaftlern der University of Southern California in Los Angeles und der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam entwickeltes Programm.

„Feret“ ist der Name des Wettkampfs um die besten Computeraugen. Das Kürzel steht für „Face Recognition Technology“ und erinnert an das englische Verb „to ferret“ – aufspüren. Schließlich bedeutet „ferret“ auch noch Frettchen – ein Tier, das sich bekanntlich zur Jagd abrichten läßt. Die gestellten Aufgaben: Das System muß Gesichter als solche erkennen und mit Tausenden eingespeicherter Porträts vergleichen. Dabei muß es nicht nur gut ausgeleuchtete Studioaufnahmen erfassen, sondern Gesichter auch unter ungünstigen Bedingungen – schlechte Lichtverhältnisse, lebhafte Hintergründe oder verschiedene Perspektiven – zuverlässig identifizieren können. Wechselndes Mienenspiel soll es ebenso ignorieren wie eine neue Brille. Um diese Ziele zu erreichen gehen die Forscherteams unterschiedliche Wege. Ein relativ einfacher besteht in der Messung von Größenrelationen wie dem Augenabstand oder dem Verhältnis von Gesichtslänge zu -breite. Doch ein solches Vorgehen erwies sich als unzuverlässig.

Das Bochumer System – von seinen Erfindern PersonSpotter genannt – funktioniert anders: Über das Gesicht wird ein Netz von Meßpunkten gelegt. Jeder Punkt und seine unmittelbare Umgebung werden durch ein Filtersystem analysiert, das Bild so in elementare Informationseinheiten zerlegt. Aus diesen Einheiten und deren Beziehung zueinander läßt sich das Gesicht im Rechner als eine Art Hologramm rekonstruieren und mit anderen vergleichen.

Zunächst verwendeten die Neuroinformatiker dabei ein Koordinatensystem rechtwinklig zueinander angeordneter Punkte. Inzwischen wurde die Software weiter verbessert. Sie kann jetzt anhand von Beispielen lernen, besonders charakteristische Meßpunkte zu wählen, aus denen sich mehr Informationen gewinnen lassen, etwa Augenwinkel oder Nasenspitze. Beim ersten Bild werden diese „landmarks“ noch von Hand plaziert, bei den folgenden noch kleinere Korrekturen vorgenommen.

Doch bald weiß das System, wie seine Orientierungspunkte angeordnet sind – und findet sie selbsttätig. Fehlt ein Punkt, etwa ein Augenwinkel bei Fotos im Halbprofil, bleibt dieser eben unberücksichtigt. Die Trefferquote sinkt damit nur gering. „Prinzipiell“, so der Bochumer Neuroinformatiker Jan Vorbrüggen, „läßt sich dies Programm auf beliebige Objekte trainieren, nicht nur auf Gesichter.“

Die Bochumer Wissenschaftler nehmen an, daß ihr Programm in ähnlicher Weise arbeitet wie das menschliche Hirn. Sie vermuten, daß die Beurteilung von Gesichtern das Resultat eines Lernprozesses ist. Diesen wollen sie mit ihrem Programm nachahmen. Zumindest haben sie erreicht, daß „PersonSpotter“ ähnliche Fehler macht wie sein menschliches Vorbild: Zwar erkennen wir die Freundin trotz neuer Frisur und grüßen den Nachbarn, auch wenn er seit kurzem eine Brille trägt. Hat er sich aber den Vollbart abnehmen lassen, kann es schon passieren, daß wir ihn im Vorbeigehen für einen Fremden halten. Erst solche gravierenden Veränderungen können auch „PersonSpotter“ irritieren. Ebenso scheitert das Programm ganz menschlich an der Unterscheidung eineiiger Zwillinge.

Eine einfachere Version dieser Software – noch auf der Verwendung rechtwinklig angeordneter Koordinaten beruhend – ist bereits kommerziell erhältlich. Unter der Bezeichnung „ZN-Face“ vertreibt die aus der Bochumer Forschungsgruppe hervorgegangene Firma „Zentrum für Neuroinformatik GmbH“ ein Zugangskontrollsystem. Hersteller empfehlen es für „Rechenzentren, Vorstands- und Geschäftsführungsetagen, SB-Schließfachanlagen, Tresorräume und sonstige Hochsicherheitsbereiche“ – wie AKWs.

Der elektronische Pförtner vergleicht jeden, der Einlaß begehrt, mit den ihm bekannten Porträts. Nur bei hinreichender Übereinstimmung gewährt er Zutritt zum Allerheiligsten. Als Hardware genügt ein normaler PC mit Pentiumprozessor. „Das System ist nicht leicht auszutricksen“, berichtet Wolfgang Konen, Leiter der Produktentwicklung, stolz, „durch ein vor das Aufnahmegerät gehaltenes Foto läßt es sich nicht täuschen. In Versuchen wurde sogar eine Maske eines Zugangsberechtigten hergestellt. Auch hier erkannte das System den Betrug.“ Und schließlich: Wer versucht zu manipulieren, wird nicht nur abgewiesen, sondern auch gleich fotografiert.

Das Kontrollsystem soll zwei einander gegenläufige Anforderungen erfüllen: Es darf niemanden passieren lassen, der einem Berechtigten bloß ähnlich sieht, aber auch keinen mit Fug und Recht Einlaß Begehrenden zurückweisen, der etwas unausgeschlafener dreinblickt als gewöhnlich oder sich einen Dreitagebart stehen ließ. Die Produzenten von ZN-Face geben für beide Fehlleistungen Werte unter ein Prozent an.

Für potentielle Anwender besonders interessant: „PersonSpotter“ kann auch auf Videosequenzen Gesichter ausfindig machen. Bis zu zwölf Bilder pro Sekunde werden erfaßt. Nach nur dreizehn Sekunden ist das beste ausgewählt und mit den früher eingespeicherten Porträts verglichen.

Weitere Verbesserungen stehen bevor. Künftige Systeme sollen Gesichter noch schneller, quasi im Vorübergehen, aus Videoaufnahmen herausfiltern und auch bei größeren Menschenansammlungen Individuen identifizieren. Neuroinformatiker Jan Vorbrüggen sieht hier jedoch technische Grenzen. Zwar sind automatische Personenkontrollen – etwa auf Flughäfen – vorstellbar, wenn die Menschen nacheinander durch einen Gang auf die Kamera zulaufen: „Doch die Hooligans von letzten Wochenende im vollen Fußballstadion aufspüren – das ist nicht zu schaffen. Auch wenn sich mancher im Bereich der Verbrechensbekämpfung derartiges wünscht: So etwas kommt nie.“s

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