: „Die USA setzen auf Europa“
Am 25. September 1986 hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Carl–Dietrich Spranger (CSU) einem erlesenen Journalistenkreis vertraulich mit geteilt, wie Bonn in Zukunft beabsichtigt, mit regionaler Polizeihilfe für alle Staaten Zentralamerikas außer Nicaragua Reagans „Kampf gegen den Terrorismus“ zu flankieren. Die USA, so Spranger nach seiner Reise in die USA und nach Zentralamerika, seien in großer Sorge über den wachsenden Einfluß von Terrorgruppen aus dem Nahen Osten in Zentralamerika. Besonders die Abu–Nidal–Gruppe sei sehr effektiv. Sie könne 400 bis 500 Anhänger rekrutieren. Washington wolle jetzt seine „defensive Strategie der Terrorismusbekämpfung aufgeben“. Die Aktion gegen Libyen sei in den USA als Erfolg interpretiert worden, und der Bundesregierung sei klar, daß diese Aktion „ein Dämpfer für Ghaddafi“ gewesen sei. Die Vereinigten Staaten hofften auf eine „offensive Bekämpfung des Terrorismus zusammen mit Europa“. Auf die Frage, ob damit ein Angriff auf Stützpunkte von Terroristen gemeint sei, sagte er: Nein, kein Angriff; so hätten das die Amerikaner nicht ausgedrückt. Es ginge um die Verstärkung des „operativen Bereichs, um mehr Aufklärung“. Und genau diesen Part im „operativen Bereich“ soll und will die CSU–Seilschaft in der Bundesregierung durchsetzen: die mittelamerikanische Polizei soll „denselben modernen Stand erreichen wie die europäische“. Eine gute Kriminalpolizei - so die CSU–Logik - garantiere auch einen Demokratisierungsprozeß, nur so seien Verbrechen wie Terror und Drogen zu bekämpfen. Nahe liegt: Oppositionelle in diesen Ländern werden dann eben zu Drogensüchtigen und Terroristen. Die in Nicaragua entführten Brigadisten entstammten ja auch, so wurde der Presse eingeflüstert, dem subversiven Dunstkreis, waren Autoknacker, Drogenabhängige und Kriegsdienstverweigerer. Dagegen hilft nur Herolds Sonnenstaat, Schleppnetz– und Rasterfahndung. Und die Hardware dafür kommt aus Bayern, von Siemens und BMW. Kein Wunder, daß die Polizeihilfe „in unser Konzept paßt“ (BMZ– Sprecher Hommen). Nach Außen verbreitet das BMZ freilich eine andere Version. Da beschreibt man die Situation in Guatemala als „schwieriges Gesamtfeld“, feiert den Innenminister Rodil als „entschlossenen Verfechter für die Menschenrechte“ und über den neuen Staatspräsidenten weiß man im BMZ zu berichten, daß „rund 300 seiner engsten Freunde ermordet wurden“. O–Ton aus der Antwort der Bundesregeriung auf eine kleine Anfrage der Grünen vom August 1986: „Nach der von der neuen Regierung (Guatemalas) vollzogenen Auflösung der früheren Kriminalpolizei ist der rasche Aufbau einer funktionsfähigen und rechtsstaatlich handelnden Polizei ein unerläßlicher Schritt zu einer wirksamen Verbrechensbekämpfung im Interesse des Bürgers und somit auch zur Verbesserung der Menschenrechtslage“.
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