■ Die USA in Somalia – keine neue Doktrin: Wenn die Kavallerie kommt
Nun ist die Kavallerie also eingeritten, wie Colin Powell, Generalstabschef der US-Armee, den Einsatz in Somalia gerne umschreibt. Doch knapp eine Woche nach Beginn von „Operation Restore Hope“ wird zunehmend Kritik an der Gangart laut. Warum nur nutzen die US-Truppen ihre Übermacht nicht, um somalische Gangs zu entwaffnen? Man mag das für kurzsichtig und halbherzig halten, doch es gibt Gründe. Zum einen soll man die Motive der USA, in Somalia zu intervenieren, nicht überschätzen. Da haben Militärs, Außenpolitiker und das Weiße Haus keine neue außenpolitische Doktrin oder Konzeption ausgebrütet, die in Somalia Premiere hat. „Operation Restore Hope“ ist vielmehr ein Sammelsurium aus Beweggründen: die Berichterstattung in den US-Medien, die immer wieder den Eindruck bestärkte, in Somalia könne durch eine Intervention etwas erreicht werden – im Gegensatz zu Bosnien; das Bedürfnis des scheidenden Präsidenten, seine Amtszeit nicht nur mit Kistenpacken zu beenden; und schließlich das Bedürfnis des Pentagon, dem neuen Präsidenten nicht nur zukünftige Aufgabengebiete, sondern auch die eigene Ausrüstung zu demonstrieren, damit der sich jeden Kürzungsvorschlag dreimal überlegt. Darüber hinaus hat das Pentagon vor allem ein – sehr verständliches – Interesse: Desaster wie das Bombenattentat auf US-Marines im Libanon zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund kann es keinen Konsens und keine Konzeption über Ziel und Dauer des Einsatzes von US-Truppen in Somalia geben – weder zwischen den USA und der UNO noch in den USA selbst. Ergo weigert sich bislang das Pentagon, Order zur Entwaffnung der Somalis zu geben. Denn Entwaffnung hieße, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Es wäre ein Signal, aus Somalia erst dann wieder abzuziehen, wenn dort funktionierende politische und administrative Strukturen wiederhergestellt sind. Es wäre auch ein Signal an die UNO, daß die USA in der neuen Phase des „humanitären Interventionismus“ nicht mehr nur in Eigenregie (mit UNO- Mandat) operieren wollen, sondern auch bereit sind, sich in Peace-Keeping-Missionen einbinden zu lassen. Das wollte bislang weder Bush noch Generalstabschef Powell. Boutros Ghali weiß das, taktiert – und hofft auf Bill Clinton.
Last not least gibt es einen verblüffend banalen Grund für die Unwilligkeit des US-Militärs, in Somalia die Waffen einzusammeln: Amerikaner empfinden durchaus Verständnis für Menschen, die ihre Gewehre nicht hergeben wollen. Sollte doch noch die große „Operation Take The Guns“ eingeleitet werden, käme am Ende einer auf die Idee, die Kavallerie könnte als nächstes die eigene Heimat durchkämmen... Andrea Böhm, Washington
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