■ Die USA, Israel und die Frage der Deportierten: Bakers Erben zerschlagen Porzellan
Die neue US-Regierung geht beim Aushebeln von UN-Resolutionen zugunsten befreundeter Staaten subtiler vor als die alte. Am Vorabend der Sitzung des UN-Sicherheitsrates haben die USA und Israel einen faulen Kompromiß in der Deportiertenfrage präsentiert, der die Tagesordnung des Rates um eines der beiden anstehenden Themen erleichtern soll. Die Regierung Rabin, die sich mit der Deportation von rund vierhundert Palästinensern in den Südlibanon ohne Not ins nahostpolitische Off manövriert hat, scheint für den Moment noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Selbst wenn man der neuen US-Regierung den Mut zu einer völkerrechtlich einwandfreien Stellungnahme gegen die israelische Deportationspolitik nicht zugetraut hat, ist die eilig zusammengeschusterte israelisch-amerikanische Absprache über eine teilweise Rückkehr der Deportierten und eine Verkürzung des Exils der anderen mehr als enttäuschend.
Indem sich der neue US-Außenminister Warren Christopher darauf eingelassen hat, bringt er jedoch das von seinem Vorgänger Baker trickreich errichtete, fragile Gebäude der israelisch-arabischen Nahostverhandlungen in größere Gefahr, als es dem Hardliner Schamir jemals gelungen ist. Die Vertreter der Palästinenser haben unter diesen Umständen keine Möglichkeit, in naher Zukunft an den Verhandlungstisch zurückzukehren, ohne ihren politischen Rückhalt in den besetzten Gebieten ganz und gar einzubüßen. Die USA und Israel glauben, es befreundeten oder interessierten arabischen Regierungen überlassen zu können, die Palästinenser in den nächsten Monaten zum Mitspielen zu zwingen.
Man hat sich schon fast daran gewöhnt, daß bei der Einhaltung von UN-Resolutionen und internationalen Rechtsnormen mit zweierlei Maß gemessen wird. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vereinten Nationen ihre einstige Autorität mehr und mehr einbüßen. Gleichwohl ist es neu, daß die USA solche Angelegenheiten nicht mehr mit einem plumpen Veto im UN-Sicherheitsrat erledigen. Durch den Krieg und das Embargo gegen den Irak haben vor allem die USA neue Maßstäbe gesetzt, die im Falle der Moslems in Bosnien und Israels jetzt vor allem von den arabischen Regierungen eingeklagt werden. Angesichts des steigenden Unbehagens im Umgang mit dem Krieg um Bosnien wollten es sich die Politiker der neuen US-Regierung offenbar nicht leisten, ihre Vetomacht erneut zugunsten Israels einzusetzen und damit einmal mehr als Komplize beim Unterlaufen von UN-Resolutionen dazustehen. Der diplomatische Einsatz des neuen US-Außenministers Warren Christopher sollte vor allem dazu dienen, Washington diese Peinlichkeit zu ersparen. Nina Corsten
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