■ Die US-Truppen sind Ordnungsmacht auf Haiti: Dollars für Waffen
Nach dem Abkommen, das die Verhandlungsdelegation unter Ex-Präsident Jimmy Carter mit den haitianischen Militärmachthabern geschlossen hatte, schien die Landung der US-Truppen schon fast zum Selbstzweck geworden, oder, schlimmer noch: sie schien dem Ziel zu dienen, die haitianische Armee als Institution zu retten – und damit gleichzeitig die Spielräume einer wiedereingesetzten Regierung Aristide zu schmälern. Die Bilder von prügelnden Polizisten einerseits, die Macht der Pro-Aristide-Demonstrationen andererseits haben die US-Amerikaner jetzt doch in die Rolle gedrängt, die eine Interventionsmacht mit dem Ziel der Wiederherstellung der Demokratie eigentlich haben muß. Die anfangs verkündete „herzliche Kooperation“ mit dem haitianischen Militär, die den US-Truppen eine kampflose Landung sicherte, hat mit dem Schußwechsel vom Samstag ohnehin ausgedient. Und immer deutlicher wird, daß die Kooperation gerade noch dort funktioniert, wo sich die haitianischen Militärs an die Anweisungen der US-Truppen halten – wo nicht, werden sie entmachtet.
Vor der eigenen Bevölkerung auf der Flucht, ziehen sich Haitis Militär und Polizei aus ganzen Regionen zurück, die US-Truppen müssen das Vakuum füllen. Und wo von der Bevölkerung Polizeikasernen gestürmt werden und schon mit der Entwaffnung des Staatsapparates begonnen wurde, da widmen sich nun auch die US-Amerikaner dem schwierigsten Teil des Unternehmens: der Demilitarisierung der Todesschwadronen, der sogenannten Attachés. Geld gegen Waffen heißt die pragmatische Parole. Unabhängig von den Erfolgsaussichten hat dieser Deal freilich einen schalen Beigeschmack: Die Mörder werden nicht bestraft, sondern bei Übergabe ihrer Werkzeuge auch noch belohnt.
Was sich in Haiti abzeichnet, ist denn auch keine „gerechte“ Lösung. Das aber ist bei der friedlichen Beilegung von Konflikten auch nicht zu erwarten. Immerhin: Die Bevölkerung hat es verstanden, die Anwesenheit der US-Truppen auszunutzen, um die verhaßte alte Staatsmacht zurückzudrängen. Damit hat die Bewegung für Aristide einen Teil ihrer Souveränität wiedergewonnen. Das muß jetzt nach dem Sicherheitsapparat auch auf das politische System wirken. Was schwieriger wird, haben doch die USA den illegitimen Marionettenpräsidenten Emile Jonaissant gerade noch aufgewertet, als sie ihn das Abkommen unterzeichnen ließen. Der Ablauf der heutigen, von Präsident Aristide einberufenen Parlamentssitzung ist ein Prüfstein, wie weit es eine Woche nach der Landung der US-Truppen mit der Ablösung des Putschisten-Systems gediehen ist. Bernd Pickert
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