Die US-Notenbank ignoriert rasanten Anstieg der Geldmenge : Alternative zur Zinspolitik
Ein interesssantes Symbol: Die amerikanische Notenbank (FED) will die so genannte Geldmenge M 3 nicht mehr erfassen. Das klingt sehr technisch, ist aber auch für die europäische Politik interessant – und ganz besonders für die Europäische Zentralbank (EZB), die voraussichtlich ihre Zinsen erhöhen wird. Denn diese Maßnahme könnte sich als überflüssig erweisen – wenn man die Geldpolitik der USA ernst nimmt.
Von vorn: In der Geldmenge M 3 werden all jene Summen gezählt, die auf Girokonten, in Termineinlagen unter 4 Jahren und auf Sparbüchern mit gesetzlicher Kündigungsfrist lagern. Ein sehr großer Teil des beweglichen Geldvermögens wird also dort untergebracht. In den USA hat sich diese Summe innerhalb von nur acht Jahren glatt verdoppelt – auf 10.000 Milliarden Dollar. Auch in der Eurozone ist zu beobachten, dass sich die Geldmenge vom realen Wachstum entkoppelt und deutlich über den Ziellinien liegt. Deswegen will die EZB ja die Zinsen auch erhöhen. Gegensteuern und regulieren ist hier das Motto.
Die USA hingegen scheinen den umgekehrten Weg zu wählen: Statt die Geldmenge M 3 zu beeinflussen, ignorieren sie einfach deren Explosion. Dafür gibt es auch einen plausiblen Grund – die Inflation blieb bisher niedrig. Auch in Europa ist nicht zu sehen, dass die gestiegene Geldmenge die Preise nach oben treibt.
Ein interessantes Phänomen, dass sich Geldmenge und Inflation derart entkoppeln können. Denn theoretisch gehören sie zwingend zusammen. Die Ursache ist undeutlich. Aber wahrscheinlich ist die Geldmenge einfach zu eng definiert. Viele interessante Vermögensströme werden nicht erfasst – ob Aktien, Immobilien oder Schatzbriefe. Statt sich jetzt weiter um passende Definitionen der Geldmengen zu bemühen, kümmert sich die FED nicht allzu stark um sie. Darüber sollte auch die EZB nachdenken. Es ist doch nicht nötig, die Konjunktur durch steigende Zinsen zu gefährden, nur weil man der alten Lehre der Bundesbank folgt, dass der Wert einer Währung an der Geldmenge hängt. ULRIKE HERRMANN