Die Stasi und die Westberliner Autonomen

■ Zu den vermeintlichen Enthüllungen der FAZ über die MfS-Infiltrierung der Kreuzberger Autonomen

Berlin. Mit sensationellen Enthüllungen über die Infiltrierung der internationalen Terrorszene durch die Stasi läßt sich derzeit allemal Öffentlichkeit erzielen. Ein neuerlicher Verdacht geistert seit dieser Woche durch den deutschen Blätterwald: Nach Veröffentlichungen der Ost-Zeitschrift 'extra‘ und der ZDF-Nachrichtensendung »heute-Journal« sollen die Kontakte der Staatssicherheit bis in die Westberliner Autonomenszene gereicht haben. Anlaß also für die so seriöse 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ (FAZ), über die Auswirkungen dieser angeblichen Liaison auf das politische Klima in der Stadt zu raisonnieren. Nicht, daß man nach der Aufdeckung der Stasi-RAF-Connection eine solche Verbindung noch für ganz ausgeschlossen halten möchte. Leider bleibt Ralf Georg Reuth von der FAZ, seines Zeichens Berlin-Korrespondent, den Beweis für seine kühne These schuldig. Die lautet: Die Stasi habe durch ihre Instrumentalisierung der Westberliner »Gewalttäter« — als Beispiele nennt er die »Rote Zora« und ganz allgemein »Kreuzberger Autonome« — »das Klima im freien Teil der Stadt mitgeprägt«. Seine Quellen nennt der Autor nicht, statt dessen benutzt er die von anderen Medien veröffentlichten Behauptungen dazu, seiner persönlichen Leidenschaft nachzugehen. Seit Jahren versucht der aufrechte Hasser der Linken nachzuweisen, daß selbige in der ehemaligen Halbstadt mit dem SED-Staat paktiert hat. Als im letzten Jahr in der AL ein Erosionsprozeß einsetzte und drei prominente Mitglieder zur PDS überwechselten, schien dieser Verdacht endgültig bestätigt.

In seinem Artikel nun »weist« Reuth nach, daß sämtliche gewalttätigen Auseinandersetzungen der letzten Jahre vom MfS geradezu geschürt wurden: Das reicht vom Besuch des US-Präsidenten Reagan 1987 über die 1.-Mai-Randale bis zur Straßenschlacht mit Republikanern kurz vor der Wahl im Januar 1989. Indiz für die These ist, daß im letzten Jahr, »also im ersten Jahr, in dem es die SED-Diktatur nicht mehr gab«, keine Ausschreitungen mehr stattgefunden haben sollen. Doch es kommt noch besser: Nicht nur der Wahlerfolg der Republikaner verdankt sich den MfS- gesteuerten Autonomen, sondern auch der rot- grüne Senat. SPD und AL bildeten »im Interesse der DDR« den Senat. Eines darf natürlich nicht fehlen, die ungeklärte Haltung der AL zur Gewalt, die es neben der anderer Linken von SEW bis SPD überhaupt erst ermöglichte, daß die Autonomen so wachsen und gedeihen konnten. Reuth zitiert hier führende AL-Funktionäre, die jedoch nie Funktionäre waren. Fehler macht jeder, doch können wir uns nur wundern über die journalistische Sorgfaltspflicht der Frankfurter Kollegen. Hier werden schlicht Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt. Auf Nachfrage gab der Autor unumwunden zu, daß es sich bei dem Thema SED und Autonome um sein Steckenpferd handele. Als Quellen führte er 'extra‘ und »Heute Journal« sowie »Berliner Quellen, die mit so etwas handeln«, an. Wir erwarten mit Spannung die Fortsetzung dieser Vergangenheitsbewältigung! Kordula Doerfler