24 Stunden Berlin : Die Stadt im Film
Peter steht am Tresen und philosophiert. Das Innehalten im Trubel der Welt hat es ihm besonders angetan. Immer wieder bricht er mitten im Satz ab und schweigt eine seiner – wie er es nennt – „Beethoven‘schen Pausen“. Viel Erfolg erntet er bei den Umstehenden nicht. Vielleicht auch ein Grund, warum er sich gerne abschotten und in einem Haus wohnen würde, das von innen mit Büchern isoliert ist. Als er die Kneipe verlässt, begleitet ihn die Kamera noch zur U-Bahn, bevor sie weiterschwenkt – zu einem neuen Gesicht.
Für den Film „b24“, der gerade im Dokument-Kino läuft, zogen die beiden jungen Dokumentarfilmer Mirko Dreiling und Sebastian Heinzel 24 Stunden am Stück durch die Stadt. Sie trafen ihre Gesprächspartner zufällig – auf der Straße, in der U-Bahn oder an der Tankstelle. 15 Menschen ließen sich auf die Frage „Wohin gehen sie?“ ein. Die Kamera durfte sie ein Stück des Weges begleiten. Herausgekommen ist ein Konglomerat, das sich quer durch die Gesellschaft zieht.
Da ist der Jungunternehmer, der behauptet, schon als Kind ein Spießer gewesen zu sein. Der indische Tourist auf der Suche nach den Mauerresten. Die Studentin, die gerade aus ihrem Studienfach geflogen ist. Der Müllmann in Charlottenburg. Mit erstaunlicher Offenheit berichten sie aus ihrem Leben oder erklären ihre Sicht der Welt. Sie scheinen sich durch die Kamera nicht beeindrucken zu lassen.
Dennoch ist „b24“ kein Seelenstriptease und frei von Peinlichkeiten. Dem Film gelingt es, über die persönlichen Einzelschicksale hinaus eine Momentaufnahme Berlins aufzuzeigen, die zum Nachdenken anregt, ohne moralisch zu werden. Die unterschiedliche Farbgebung, die jeder Person zugeordnet ist, unterstreicht das Bemühen der Filmemacher, die Protagonisten als einzigartige Persönlichkeiten darzustellen, und verhindert ein Abgleiten in eine beliebige Aneinanderreihung von Lebensschicksalen, die im grauen Einerlei endet.
Am Ende des Films sieht man einen Mann am Flughafen Tempelhof. Es ist sieben Uhr früh und der Verwaltungsjurist auf seinem Weg nach Brüssel wirkt müde. Bevor er die Passkontrolle passiert, dreht er sich noch einmal um, lächelt kurz in die Kamera und winkt. Man möchte ihm am liebsten zurückwinken.
VERONIKA NICKEL
„b24“ im Dokument-Kino, Rungestraße 20. Freitag 20 Uhr, Samstag 22 Uhr. Weitere Vorführungen bis Ende Mai