: Die Sorgen eines stalinistischen Diktators
■ Rumäniens Führung über Honecker-Sturz wenig begeistert / Ceausescu will ideologische Kampf verstärken / Plenum des ZK
Bukarest (afp/dpa/taz) -Die rumänische Staats- und Parteiführung verfolgt nach Informationen osteuropäischer Diplomaten die Entwicklungen im Ostblock mit wachsender Besorgnis. Das Abtreten Honeckers, der ein alter Verbündeter Ceausescus war, wurde nach Angaben westlicher Diplomaten in Bukarest konsterniert und nervös aufgenommen. In allen Zeitungsberichten und Kommentaren zur Ernennung von Egon Krenz betont Bukarest die „marxistisch-leninistischen Prinzipien“, auf die sich die Freundschaft zwischen den beiden Staaten gründe, sowie die „klare Position, die die SED und die Regierung der DDR zur Verteidigung und Entwicklung des Sozialismus“ einnehme.
Ceausescu hat am Mittwoch zur Verstärkung des ideologischen Kampfes aufgerufen, da „reaktionäre, antisozialistische und antikommunistische Kreise ihre Aktivitäten verstärkt haben“. Auf einer Sitzung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Rumäniens betonte Ceausescu: „Wir weisen alle anti -sozialistischen Thesen zurück.“ Im Mittelpunkt der ZK -Sitzung steht die Festlegung des Programms für den Parteikongreß, der vom 20. bis 25.November stattfindet und Ceausescu in seinem Parteiamt bestätigen soll. Ceausescu ist seit 1965 Parteivorsitzender.
„Die imperialistischen Aktionen gegen den Sozialismus und gegen die fortschrittlichen Kräfte stellen eine große Gefahr für die Entspannungspoliktik und für den Frieden dar“, sagte Ceausescu. In einigen sozialistischen Ländern würden „die Existenz des Sozialismus und des gesellschaftlichen Eigentums in Frage gestellt werden“. Ceausescu forderte in seiner Rede die Einberufung einer Konferenz der sozialistischen Länder, um eine Bilanz des sozialistischen und des kapitalistischen Gesellschaftssystem zu ziehen. Damit wärmte der Diktator eine alte stalinistische Tradition wieder auf: die der kommunistischen Weltkonferenzen, auf denen die korrekte Linie festgeklopft wurde. Das rumänische Regime, das jahrzehntelang auf seine Unabhängigkeit gepocht hatte, ist offenbar bereit, alle Hemmungen fallen zu lassen, nur um Restbestände an Orthodoxie und damit die Legitimationsgrundlage der eigenen Herrschaft zu retten. In einer ähnlichen Kehrtwende hatte der selbsternannte „größte Sohn des Vaterlandes“ vor einigen Monaten eine Intervention in Polen gefordert - gegen den Einmarsch in die CSSR 1968 hatte Rumänien noch protestiert.
ws
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