■ Die Schweiz und die EU einigen sich auf ein Verkehrsabkommen: Nicht schlecht für die Ökologie
Der nach über zweijährigen Verhandlungen erzielte Durchbruch bei den Brüsseler Alpentransitverhandlungen zwischen der Schweiz und der EU ist eine seit langem überfällige Weichenstellung. Die neue Richtung lautet: eine ökologischere Verkehrspolitik für ganz Europa. Der hysterische Protest der Lkw- Verbände läßt sich getrost abtun als Pflichtgeschrei einer Lobby, die ihre kurzsichtigen Interessen über das Recht der Allgemeinheit auf eine etwas weniger versehrte Umwelt stellt.
Möglich wurde der Durchbruch, weil mit dem rot- grünen Sieg in Deutschland der für die bisherige Blockade hauptverantwortliche Bundesverkehrsminister Wissmann endlich aus dem Bonner Bremserhäuschen entfernt wurde. Fast wäre Wissmanns Kalkül aufgegangen. Er wollte die Anstrengungen der Eidgenossen, die Schienenkapazitäten im Nord-Süd-Güterverkehr auszubauen, und eine zumindest annähernd verursachergerechte Kalkulation der Straßentransportkosten zunichte machen. Zudem versuchte er, die beiden gleichermaßen vom Übel der Lkw-Lawinen betroffenen Alpenrepubliken Schweiz und Österreich gegeneinander auszuspielen. Wissmanns Auftritte stärkten somit die Lkw-Lobby in der Schweiz ebenso wie die rechtspopulistischen Europa-Gegner um Nationalrat Blocher.
Doch zum Glück ließen sich die Schweizer auch durch den überheblichen Wissmann nicht aus der Ruhe bringen und votierten mit deutlicher Mehrheit für Ausbau und Finanzierung des Schienenverkehrs. Und obwohl Wissman im Verbund mit seinen Amtskollegen aus Italien und Holland im Laufe der Verhandlungen die von der Schweiz ursprünglich kalkulierten Einnahmen aus einer Abgabe für Lkw auf fast die Hälfte drückte, bewilligten die Schweizer Stimmbürger allein für die beiden geplanten Eisenbahntunnel durch die Alpen 36 Milliarden Mark bis zum Jahr 2015. Umgerechnet auf deutsche Verhältnisse wäre dies eine Investition von rund 400 Milliarden für eine ökologischere Verkehrspolitik.
Rot-Grün könnte sich daran ein Beispiel nehmen. Doch solange Bonn noch nicht einmal einen Bruchteil dieser Summe für den Ausbau von Eisenbahn-Infrastruktur für den Güterverkehr in Deutschland bewilligt – insbesonders für den „Huckepackverkehr“, die Verladung von Lkw auf die Bahn –, bleibt der Durchbruch von Brüssel ein Erfolg mit begrenzter Reichweite. Andreas Zumach
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