■ Die SPD und ihre Beschlüsse: Amt und Würden
Parteien, die Regierungsverantwortung innerhalb einer Koalition tragen, befinden sich immer in einem Spannungsverhältnis zur eigenen Programmatik. Letztere ist im besten Falle vorwärtsweisend, über den Tag und die Kompromisse des Regierungshandelns hinausgreifend. Die Lebendigkeit einer Partei erweist sich deswegen daran, wie profiliert und nachdrücklich eine Partei trotz der Daumenschrauben einer Koalition für die eigenen Überzeugungen streitet. Dafür ist es wenig hilfreich, wenn der Zuchtmeister der Koalition gleichzeitig Parteivorsitzender ist. Im schlechtesten Fall – das macht die CDU mit ihrem Bundeskanzler vor – gibt eine Partei den Gestaltungswillen ganz beim Parteivorsitzenden ab. Fast lehrstückmäßig ist deshalb der mit großer Mehrheit am vergangenen Freitag auf dem SPD-Landesparteitag gefaßte Beschluß, ein politisches Bezirksamt zu fordern – was gestern die SPD-Parlamentarier im Innenausschuß niederstimmten. Der Riß in der Partei geht dabei durch den Landesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden Ditmar Staffelt. Der versuchte am Freitag vergeblich, den Beschluß zu verhindern – mit dem Hinweis, dies sei nicht bei der CDU durchzusetzen. Was nützt der Partei ein Vorsitzender, der einem Koalitionspartner vorauseilend den Konflikt erspart? Was sind die Beschlüsse der SPD wert, wenn der Parteivorsitzende in seiner Zweitfunktion diese ignoriert? Der Fraktionsvorsitzende Staffelt hat auf dem Landesparteitag der Großen Koalition den Rücken freigehalten und sich als geschickter Mehrheitssammler bewährt. Den von ihm formulierten Anspruch, die Partei zu demokratisieren und den Mitgliedern mehr Mitbestimmungsrechte zu geben, aber hat der Landesvorsitzende Staffelt dafür längst im Archiv abgelegt. Gerd Nowakowski
Siehe auch Bericht Seite 18
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