piwik no script img

■ Die SPD könnte den Somalia-Einsatz stoppenBonns Kriegshelden werden nervös

Vielleicht ist es für die deutschen Soldaten in Somalia ja ein kleiner Trost. Sollten sie sich seit einigen Tagen häufiger nervös umblicken, so können sie sich jetzt schadenfreudig daran aufrichten, daß auch die Bundesregierung in Bonn ins Schwitzen kommt. Es gibt einen kleinen Unterschied, das ist klar. Den Herren Kohl, Rühe und Kinkel stellt kein Milizionär mit Maschinenpistole nach, sondern nur ein sozialdemokratischer Fraktionschef mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung. Schlimm genug, denken sich die Bonner Befehlshaber. Gestern enthüllten sie ihrem sozialdemokratischen Widersacher, wie groß unter ihnen die Nervosität inzwischen ist. Ob er auf den Gang zum Verfassungsgericht in Karlsruhe nicht verzichten könne? So bettelten sie und schoben als Begründung ihre Sorge vor, die acht Richter könnten wegen der Somalia-Sache die Entscheidung über Maastricht verschieben. Wie stünde Deutschland da, wenn es den Vertrag über die Europäische Union als letztes Land ratifizieren würde!

Das Argument ist vorgeschoben – wenngleich die Bundesregierung in der Tat um ihre Reputation in der „Familie“ der Völker bangt, in die sie sich mit dem deutschen Afrika-Korps wieder aufgenommen fühlte. Was Kohl, Kinkel und Rühe jetzt fürchten, ist ein Sieg der SPD vor dem Verfassungsgericht. Bonn müßte daraufhin seine Soldaten aus Somalia zurückrufen und würde damit zum Gespött der Kommentatoren in aller Welt. Diese Vorahnung treibt die Bonner Regierenden erkennbar mehr um als die Angst, ein Bundeswehrsoldat könnte im Zinksarg in die Heimat zurückkehren. Ihre Salami-Taktik, mit jedem Einsatz die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen ein bißchen weiter vorzuschieben, war schön ausgedacht. Jetzt droht der Etikettenschwindel aufzufliegen. Nachschubtransporte für kämpfende Soldaten werden nun mal nicht allein dadurch zur humanitären Aktion, daß ein Klaus Kinkel beschwörend mit den Augen rollt.

Anders als von vielen nach der Karlsruher Awacs- Entscheidung behauptet, hatte das Gericht damals gerade keinen Freibrief für weitere Militärinterventionen erteilt. Ihr vorläufiges Ja-Wort hatten die Richter auch mit dem Hinweis begründet, den deutschen Offizieren in den Aufklärungsmaschinen über der Adria drohe keine Gefahr. Ganz anders in Somalia: Dort kann auch im angeblich befriedeten Belet Huen hinter jeder Ecke ein Heckenschütze auftauchen. Inzwischen dämmert es auch den Bonner Kriegshelden: Sie sind in Belet Huen in einen Hinterhalt geraten. Hans-Martin Tillack

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen