piwik no script img

Archiv-Artikel

Die SPD, eine Zumutung KOMMENTAR VON JENS KÖNIG

Wahlkämpfe sind eine Tortur. Manchmal für den Körper, das hat Franz Müntefering gerade erst leidvoll erfahren. Immer häufiger aber auch für den Geist. Was in diesen Wochen insbesondere die SPD sagt und macht und tut, ist eine intellektuelle Zumutung.

Sie redet von Sieg, wo längst jeder im Land weiß, dass ihre Niederlage am 18. September von historischem Ausmaße sein wird. Sie tritt mit einem Kanzler zur Wahl an, der sich darin sonnt, von einer Mehrheit der Deutschen für sympathischer und kompetenter gehalten zu werden als Angela Merkel – der jedoch die Kehrseite dieser schillernden Münze, eine im 30-Prozent-Turm gefangene SPD, nicht für sein Problem hält. Und jetzt veranstaltet die Sozialdemokratie auch noch einen Parteitag, auf dem sie masochistisch aller Welt demonstriert, dass Ignoranz ihr zweiter Herzschlag ist.

Die SPD hat gestern das gemacht, was Parteien drei Wochen vor einer Wahl gemeinhin tun: ihren Spitzenkandidaten feiern, die Reihen fest schließen, Optimismus versprühen, auf die unentschiedenen Wähler setzen. Bloß keine Strategie- oder Personaldebatte anzetteln! Aber für die SPD ist das längst keine „normale“ Wahl mehr. Ihre inszenierte Wahlkampfroutine wirkt lächerlich. Sie offenbart erst recht ihr Grundproblem, über das sich niemand in der Partei offen zu reden traut: Schröder ist im Volk zwar immer noch populär, aber er ist der falsche SPD-Spitzenkandidat für den falschen Wahlkampf mit einer falschen Strategie. Der Kanzler symbolisiert die rot-grüne Politik, für die die SPD abgewählt wird. Er steht nur noch für die Historie, mit ihm verbindet sich keinerlei machtpolitische Perspektive mehr.

Die SPD hat sich nicht dagegen gewehrt, dass Schröder sie am 22. Mai zu seiner Geisel nahm. Die Partei wollte nur zu gern an das glauben, was der Kanzler mit seinem Neuwahlmanöver beabsichtigt hatte: durch einen Überraschungscoup das Unmögliche erneut möglich zu machen. Dabei war sein radikaler Schritt nur das Eingeständnis, politisch gescheitert zu sein.

Die Bürger haben das erkannt, jetzt geben sie der SPD die verdiente Quittung. Gegen diesen Realismus hilft kein Wahlkampf mehr. Manchmal geht es in der Politik eben auch um – Politik.