: Die Rechnung für den giftigen Love Canal
■ Occidental Chemical zahlt Millionen für den ältesten Umweltskandal der USA
Berlin (taz) – Im US-amerikanischen Umweltskandal um den Love Canal ist zumindest juristisch eine Einigung erzielt worden. Nach 16 Jahren Rechtsstreit hat sich der Chemiekonzern Occidental Chemical bereit erklärt, an die amerikanische Regierung 130 Millionen Dollar (180 Millionen Mark) zu zahlen. Damit sollen Kosten für die Reinigung des Kanals, der in der Nähe der Niagara-Fälle im US-Bundestaat New York liegt, und die zeitweise Evakuierung der Bevölkerung abgegolten werden. Der Streit, der in den USA zu einem Synonym für grob fahrlässige Umweltverschmutzung seitens der Industrie geworden war, ist über 50 Jahre alt. Ab 1942 nutzte der Chemie- und Plastikhersteller Hooker, der später in Occidental Chemicals aufging, den Kanal als kostenlose Giftmülldeponie. Nachdem er über elf Jahre lang insgesamt 22.000 Tonnen chemischer Abfälle in das Gewässer geleitet hatte, verkaufte er das Land 1953 für einen Dollar an die lokale Schulbehörde.
Die ließ daraufhin dort eine Grundschule bauen, in nächster Nähe wuchs eine Wohnsiedlung für Tausende von Menschen. Ein Vierteljahrhundert später, in den siebziger Jahren, kam das im Untergrund schlummernde Gift an die Oberfläche. Faulige Substanzen sickerten in die Keller der Privathäuser, Kinder planschten in orangefarbenen Pfützen auf den Bürgersteigen. Erst als die Anwohner vor Gericht zogen, sah man sich veranlaßt, mehr als 1.000 Familien zu evakuieren. Jahrelang kratzte die Regierung dioxinhaltigen Schlick aus dem verseuchten Boden. Der Love Canal errang traurige Berühmtheit als eine der giftigsten und teuersten Altlasten der USA.
Nach dem Vergleich gab sich die US-Justizministerin Janet Reno euphorisch: „Dies bekräftigt den Grundsatz, daß Leute, die ein Schlamassel anrichten, für die Reinigungskosten aufkommen sollen.“ Occidental Chemical sieht das allerdings anders. Ein Anwalt legte Wert auf die Feststellung, daß der Konzern nicht zu einer Geldbuße verurteilt worden sei. Denn seinerzeit hätte das Einleiten des Giftmülls gegen kein Gesetz verstoßen. Andreas Baum
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen