: Die Rache von Islamabad
■ In Pakistan feiert ein Film riesige Erfolge, der mit Salman
Rushdie abrechnet / Nebenbei ist der Film antisemitisch
Pakistan“, schreibt der 'Nouvel Observateur‘, „hat in der Rushdie-Affäre von Anfang an eine Schlüsselrolle gespielt. Pakistan war das erste Land, das über seinen Londoner Botschafter das Verbot der Satanischen Verse forderte. Das war im September 1988. Zwei Monate später schoß die pakistanische Polizei auf Anti-Rushdie-Demonstranten. Bilanz: fünf Tote.Im letzten Februar untersagte die pakistanische Regierung den Verkauf einer Ausgabe von 'Newsweek‘ mit einem Rushdie-Interview.
Aber es kommt noch schlimmer.„Jetzt berichtet der Pakistan -Korrespondent des 'Nouvel Observateur‘, Shah Alan, über eine pakistanische Superproduktion mit dem Titel International Guerillas, die seit mehreren Wochen die pakistanischen Kinos füllt. Darin spielt Salman Rushdie dargestellt vom populären pakistanischen Schauspieler Afzaal Ahmad - eine Hauptrolle. Der Film beginnt mit einem Treffen jüdischer „Verbrecher“, die ein Komplott gegen den Islam planen. Ihr Anführer heißt Batto Batto. Er bestimmt, daß Pakistan, als Trutzburg des Islam, das erste Ziel ihrer Angriffe sein soll. Die jüdischen Intriganten nutzen dabei die Anti-Rushdie-Stimmung in Pakistan aus. Sie bestechen den Polizeipräsidenten von Islamabad und lassen ihn auf die Demonstranten schießen.
Einige „ehrliche“ pakistanische Polizisten beschließen daraufhin, ein internationales Guerilla-Kommando zu bilden. Mit wutrotem Gesicht und erhobener Faust schwören sie, Rushdie zu enthaupten. Dann schiffen sie sich nach Manila ein, wo Rushdie in einem Nobelhotel logiert, bewacht wird er von einem aufwendigen Sicherheitsdienst, dessen Uniformen an die israelische Armee erinnern.
Rushdie wird als eine Art Psychopath dargestellt, der zum Zeitvertreib moslemische Gefangene foltert. Eine seiner Foltermethoden besteht darin, den Gefangenen langsam ein Schwert in den Leib zu stoßen. Wenn das Blut quillt, jubelt er vor Freude. Seine grausamste Folter allerdings besteht in der Rezitation der Satanischen Verse.
Nach einigen Peripetien - Verfolgungsjagden, Schießereien usw. - geschieht das Wunder: die an Holzkreuze gefesselten moslemischen Gefangenen beten zu Allah um Hilfe. Blitze fahren nieder, die die Fesseln sprengen, am Firmament erscheint der Koran. Der vollkommen geblendete Rushdie wird von Lichtstrahlen aus dem Koran getroffen und verschwindet in einer Feuersäule.
Mehr als fünf Millionen Pakistaner, so berichtet der 'Nouvel Observateur‘ haben den Film bereits gesehen. Der Film hat zehn Monate Arbeit und 300.000 Dollar gekostet (mehr als dreimal soviel wie ein durchschnittlicher pakistanischer Film).
„Rushdie zu spielen, war für mich nicht einfach“, erzählt der Hauptdarsteller Afzaad Ahmad dem 'Nouvel Observateur‘, „ich mußte sehr aufpassen, denn ich mußte zugleich sehr haßgeladen und blasphemisch wirken, ohne dabei das Bild des Propheten zu schänden.“ Über Rushdie sagt Ahmad - der für seine Rolle übrigens Todesdrohungen erhalten hat: „Ich habe Rushdie noch nie getroffen. Ich liebe ihn überhaupt nicht. Ich will nicht einmal, daß man seinen Namen in meiner Gegenwart ausspricht. Ich habe nie einen Blick in die Satanischen Verse geworfen und werde es auch nie tun.“ Daß International Guerillas in Großbritannien verboten wurde, findet Ahmad „unfair“: „Der Film ist doch kein Sakrileg. Ich kann das nicht verstehen.“ International Guerillas ist nicht der erste Film, in dem Ahmad einen Schriftsteller spielt. Schon vor zwanzig Jahren stellte er Raaj Baal dar, einen hinduistischen Schriftsteller, der von einem moslemischen Extremisten für ein „blasphemisches“ Buch ermordet wurde. Der Film ergriff Partei für den Mörder, der von den Briten gehängt worden war.
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