Die Politik beim taz-Kongress 2022: Welt-Journalist für Konsumverzicht

Von Luisa Neubauer bis Robert Habeck, von Robin Alexander bis Claus Weselsky und dazwischen noch Karl Lauterbach – das politische Berlin gab sich beim taz lab 2022 die Klinke in die Hand.

Fürs Klima auf den Konsum verzichten? Welt-Journalist Robin Alexander und Klimaktivistin Luisa Neubauer diskutierten lebhaft beim taz lab 2022 Foto: Hein Godehardt-Petschulat

Von ADRIAN BREITLING

taz lab, 02.05.2022 | Gleich auf dem ersten Panel des taz lab kam Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf den Punkt: „Wir müssen die richtigen Entscheidungen für die Freiheit zukünftiger Generationen treffen.“ Der Anspruch prägte die Veranstaltungen des Tages.

Im Gespräch mit taz-Chefreporter Peter Unfried um politische Verantwortung nahm sich der Vizekanzler selbst nicht aus der Verantwortung aus: „Auch meine politische Entscheidung wird Menschenleben gekostet haben.“ In Kriegszeiten stellten sich auch moralisch überlegen fühlende Positionen wie „Frieden schaffen ohne Waffen“ als falsch heraus.

Welt-Journalist für Konsumverzicht

Klima und Klasse: Der Titel des diesjährigen taz lab war vor einigen Wochen von den Verantwortlichen um das Wort „Krieg“ ergänzt worden. In letztere Kategorie fielen Teile des Gesprächs mit Habeck, den beiden ersten Themen widmeten sich unter anderem die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer und der stellvertretende Welt-Chefredakteur und Ex-tazler Robin Alexander.

Neubauer sprach von einer „neuen Unfreiheit“, die die Folge mangelnden klimapolitischen Handelns würde. Dabei müsse man nicht zwangsläufig auf wirtschaftliches Wachstum verzichten, meinte Alexander. Er befürworte auch Konsumverzicht. „Schreibt das auf!“, forderte Neubauer das Publikum auf.

Das saß zu großen Teilen vor heimischen Bildschirmen, viele hundert kamen auch in den Berliner Besselpark neben der taz-Redaktion. Das Straßenfest in der Friedrichstraße bot köstliche Knödel, Raum für Austausch und die Veranstaltungen als Public Viewing.

Den Umbruch voll zumuten

Auf dem war auch der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil zu sehen. Von taz-Redakteur Stefan Reinecke darauf angesprochen, ob der Diskurs um den Krieg in der Ukraine und deutsche Hilfen zu militaristisch geführt sei, wie es Fraktionschef Rolf Mützenich zuletzt bemerkte, sagte Klingbeil: „Der Diskurs lässt ja gar nichts anderes zu.“

Klingbeil sprach auch über die anderen „K“ des taz-lab-Titels, Klima und Klasse. In seinem Wahlkreis könne man lediglich das Auto zur Fortbewegung benutzen. „Manche Leute können ihr Verhalten in manchen Bereichen momentan nicht ändern“, sagte er. Sein Koalitionspartner Robert Habeck hatte zuvor auf die Frage, ob Energiesicherheit vor der Energiewende stehe, zusammengefasst: „Beides bedingt sich.“ Den begonnenen politischen Umbruch müsse sich die Regierung nun „voll zumuten“.

Überraschend verkündete der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, im Gespräch mit den taz-Redakteur:innen Anja Krüger und Pascal Beucker, dass er seinen Job bis in den Herbst 2024 und also verlängert ausüben will.

Bahnstreik in der Pandemie? Absicht!

Zuletzt war Weselsky im Herbst vergangenen Jahres als Buhmann in manchen Medien erschienen, als er gegen großen Widerstand die Streiks seines Verbands verteidigte. Ein Argument damals lautete, dass der Streik gerade in Zeiten der Pandemie die Falschen treffe. Im taz-Gespräch sagte er nun: „Der Zeitpunkt war taktisch und strategisch genau festgelegt.“

Über die Pandemie sprach auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der zum Gespräch mit taz-lab-Kurator Jan Feddersen in die Redaktion gekommen war. Er stellte fest: „Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass 200, vielleicht 250 Leute jeden Tag an der Corona-Infektion sterben.“

Aber es sei eben nicht gewöhnlich. Lauterbach sprach auch über seine Zwiespälte hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie und dessen Ende. Über den Herbst und die Coronapandemie hinaus strebe er eine „weltumspannende Feuerwehr in Pandemiesituationen“ an, die schnell auf mögliche folgende Krisen reagieren könne.

Wie diese bewältigt werden können, wird auch in den kommenden Jahren auf dem taz lab diskutiert.