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Die Piraten und der StaatstrojanerKeine Politik in Twittergeschwindigkeit

Der Piratenpartei hätte die Affäre um die Spionagesoftware nicht gelegener kommen können. Doch die Chance blieb ungenutzt.

Von "starkes Stück" zu "bodenlose Frechheit": Die Wortwahl des Berliner Piratenabgeordneten Lauer (links) ist schärfer geworden. Bild: dpa

BERLIN taz | Es wäre eine Steilvorlage gewesen: Mehrere Bundesländer werden nach einer Veröffentlichung des Chaos Computer Clubs (CCC) gezwungen, den Einsatz eines Staatstrojaners zuzugeben. Einer Software also, die es ermöglicht, Computer aus der Ferne auszuspähen und zu manipulieren, auf fragwürdiger juristischer Basis. Doch bei der Piratenpartei, der Partei, die sich am stärksten auf netzpolitische Themen konzentriert, hält man sich nach der Entdeckung zurück.

Gleich einen Tag nach der Veröffentlichung des CCC geben der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz und der frisch gewählte Berliner Abgeordnete Christopher Lauer der FAZ ein Interview. Nerz zweifelt, ob es sich tatsächlich um den Bundestrojaner handelt, Lauer sagt, es sei "ein starkes Stück", aber "markige Statements" wären fehl am Platz. Netzaktivisten reagieren mit Kritik. Der Blogger Felix von Leitner schreibt: "Das ist gerade die Gelegenheit […], die etablierten Parteien mit heruntergelassenen Hosen vor euch herzutreiben."

Drei Tage später ist auch Lauers Einschätzung anders. Er spricht jetzt von "Skandal", "unhaltbarem Zustand" und "bodenloser Frechheit", prangert die Kosten für die Überwachung an und überlegt, wie viele Fahnder man wohl für diese Summe hätte ausbilden können. Zu dem Wandel sagt er: "Ich konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht richtig überblicken, was die Lage ist."

Inzwischen könnte es aber zu spät sein. Der Trojaner hat einen Koalitionskonflikt zwischen Union und FDP ausgelöst. Während Unionspolitiker die Analyse des CCC infrage stellten, kündigte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine "totale Aufklärung" an. Die stark angeschlagenen Liberalen wollen sich wieder als Bürgerrechtepartei profilieren. "Das ist natürlich der letzte Rettungsanker der FDP", glaubt auch Bernd Schlömer, der stellvertretende Vorsitzende der Piraten im Bund.

"Ein bisschen unprofessionell"

Doch bei den Piraten ist nicht nur die Parteispitze, sondern auch die Basis spät dran: Erst seit Dienstag sammeln sie gemeinsam Argumente gegen die Technik. Diese sind im sogenannten Piratenpad öffentlich einsehbar. Die Landesverbände meldeten sich drei Tage nach der Veröffentlichung des CCC per Pressemeldung zu Wort.

"Das ist vielleicht ein bisschen unprofessionell", gesteht Schlömer. "Aber wir brauchen dafür Zeit - wir können keine Politik in Twittergeschwindigkeit machen." Er verweist darauf, dass die Piraten die Parteiarbeit ehrenamtlich erledigten: "Wir sind alle vollberuflich tätig und können uns nicht jederzeit vor die Kameras stellen." Lauer sagt, es gehe ihm auch um ein anderes Auftreten der Piraten nach außen. "Natürlich hätte ich gleich voll auf die Kacke hauen können. Aber ich muss nicht die ganze Zeit das Klischee des Politikers voll bedienen."

In Berlin, dem ersten Landesparlament, in das die Piraten eingezogen sind, wollen sie jedenfalls ihre Rechte ausschöpfen. Eine Kleine Anfrage zum Einsatz der Software in Berlin sei bereits in Arbeit, heißt es aus der Fraktion. Stellen können die Piraten sie aber erst Ende des Monats - wenn das Abgeordnetenhaus sich konstituiert hat.

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10 Kommentare

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  • G
    gonzo

    Mensch, hätten die Piraten doch bloß eine Frauenquote, wie die Grünen. Dann hätten sie bestimmt auch so eine hysterische Claudia-Roth-Figur, die gleich auf allen Kanälen in Kamera heult.

     

    Aber im Ernst: Wem wird diese Affäre langfristig nutzen? Den Grünen/FDP, die sich kurzfristig künstlich aufregen, um dann bei nächster Gelegenheit neue Sicherheits-Gesetze abzunicken? Oder den Piraten, die sich konsequent und entschieden auf dem Gebiet verhalten?

  • G
    Generator

    Man kann die TAZ eigentlich nicht ernst nehmen wenn sie über die Piraten berichtet. Hier wird eine Nichtmeldung zum Piratenbashing genutzt. Mir ist schleierhaft warum sich die taz so einseitig gegen die eine neue und junge Partei positioniert. Bei mir hat das, eigentlich ziemlich positive, Image der TAZ ordentlich gelitten. Fangt endlich an euch seriös mit dem Thema zu beschäftigen

  • N
    NormalBürger

    Frau Bergt, haben Sie sich zur Aufgabe gemacht nur noch Piratenbashing zu betreiben?

    Was gab Ihnen den Anlaß dazu?

    Sind Sie immer noch beleidigt wegen der Berlin Wahl?

  • DD
    Der Duden

    Es gibt weder Trojaner noch freie Piraten in Deutschland. Minderjährige Piraten sitzen im Knast und die Trojaner wurden von den Griechen verbrannt.

  • J
    JMCQ87

    Ob die Chance ungenutzt bleibt, muss man erstmal sehen. Da lässt sich sicherlich einiges durch "stetige Arbeit" machen - und gerade das interessiert den "typischen" Piratenwähler. Nicht das laute, effekthascherische Aufschreien, direkt nach dem Skandal, wie bei der Politik alter Schule.

  • P
    Piratenwähler

    Einmal mehr zeigen die Piraten warum es Leute gibt die Sie wählen.

    Weitere Pluspunkte bei mir gesammelt. Dass die Presse eingeschnappt ist weil man nicht sofort etwas reisserisches zu Papier bringen kann, wen stört das schon. Ausser die Presse.

  • MI
    Mane, Igor

    Nicht täglich so'n Schietkram gelesen. Die Jurispondenz wird auf'n Kopf gestellt. Der Staatstrojaner hinterläßt Backdoors, das sind die offenen Türen, für die Firewalls erst erfunden wurden. Eine Staatsblamage ohne gleichen ist das, mal abgesehn von Andrea Merke, der Ikone der christlichen Überwachsamkeit. Es gibt Staatsbeamte, aber keine Staatsprogrammierer. Das ist schlimm. Da wird jetzt der Merkelstaat nicht nur von den Banken, sondern auch von den Programmierern unterwandert, zum Ziele des eigenen vorteils. Ja, da kann Merkel noch lange nach Mongolei fliegen, zur Auskundschaftung der Bodenschätzeevolution, ilse wird doch zruckkumma, als das, was war, das klein mädsche vom kohl, helmut, dem schwiegersohn von HABAG, der Rüstungsindustire

  • B
    Bernd

    "Eine Kleine Anfrage" ersetzen durch "Eine kleine Anfrage"

  • Q
    Quelle

    Der Atikel von fefe (Felix von Leitner) ist einfach zu geil geschrieben: https://blog.fefe.de/?ts=b06f3cda

  • A
    asi

    Ich finde es eigentlich nicht schlecht dass die Piraten da nicht gleich darauf gesprungen sind. So kann ihnen wenigstens keiner den Vorwurf des Populismus machen.

     

    Davon ma abgesehen hat die taz doch auch ein bisschen gebraucht bis die Information hier gezeigt wurde und als guten Journalismus kann man die Artikel die kamen nicht wirklich bezeichnen.

     

    Eine überlegte Reaktion der Piraten auf die Problematik dieser verfassungswidrigen digitalen Wanze wird schon noch kommen, da mache ich mir keine Sorgen.