: Die Persiflage eines gerechten Steuersystems
betr.: „Die Simpel-Steuer“, Kommentar von Christian Füller, taz vom 3. 8. 99
Ich halte die Ideen von Struck für absolut nicht gerecht, weil sie die Ummodelung des Steuersystems nachträglich rechtfertigen. Ursprünglich hatte die SPD in Aussicht gestellt, dass wieder jeder Steuern zahlt, und zwar in einem progressiven Steuersystem. Wer viel verdient, der zahlt viel, wer wenig hat, zahlt wenig. Das bedeutet im Klartext ein solidarisches Steuersystem. Ein holzschnittartiges Steuersystem mit drei Sätzen ist eine Persiflage eines gerechten Steuersystems.
Was wir brauchen, ist schlicht überhaupt ein gerechtes Steueraufkommen, das heißt, jeder der kann, zahlt auch. Anstatt nun mit dem Durcheinander aufzuräumen, werden irreale Vorschläge in die Manege geworfen, als hätte die SPD nichts Besseres zu tun. Indirekt geben Leute wie Struck oder Poß doch sogar zu, dass ihr eigenes Machwerk von vor knapp einem halben Jahr heute schon so schwächelt, dass „nachgebessert“ werden muss.
Vielleicht sollte die SPD mal nach Norden schauen. Dort beschweren sich zwar einige, aber meist nur sehr wenige, über hohe Steuern, aber fast jeder bezahlt sie. Dadurch verfügt der Staat über ausreichend Mittel einzugreifen und auszugleichen. Die Lösung scheint mir einfach: ein transparentes, allgemeines, simples und progressives Steuersystem. Hinzu kommen sollte ein Grundbetrag an Steuern, um den sich niemand herumrechnen kann. Dies würde auch kurzfristig die steuerlichen Erträge stabilisieren.
Dazu gehört allerdings Mut und Koordination – zwei Eigenschaften, die der Koalition des Öfteren fehlen. André Berthy, Hamburg
Die Ganz-Simpel-Steuer: Wer wenig verdient, zahlt wenig Steuern, wer viel verdient, zahlt viel Steuern, aber alle zahlen den gleichen Prozentsatz.
Sie sehen, mein Vorschlag ist noch gerechter, aber erst recht nicht umsetzbar. Wolfgang Weck, Klein-Winternheim
Also manchmal muss ich mich schon sehr wundern! Da stellt Herr Füller endlich mal ein paar wirkliche Argumente für die „Simpel-Steuer“ in den Raum, hat aber dann doch Angst vor der eigenen Courage.
Wieso endet sein Kommentar nicht in einem Aufruf zur Umsetzung dieser wirklichen Reform, sondern wiegelt mit Hinweis auf die schwache Regierung alles ab? Wieso hat nicht einmal die taz den Mut, endlich die ollen Kamellen über Bord zu schmeißen und eine vernünftige Diskussion zu führen, bei der alles in Frage gestellt werden darf? Doch nur so kann man Reformen überhaupt andenken (ganz zu schweigen vom Umsetzen!).
Wovor habt ihr denn Angst? Der gemeine taz-Leser kann es ja nicht sein, denn der ist ja vernünftig und scheut sich nicht, die bisherigen Vorstellungen von sozial und gerecht in Frage zu stellen. Oder sollte ich mich in diesem Punkt irren? Wäre schade!
Stefan Bauer, München
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen