: Die Penner von gestern
Landesparteitage in Niedersachsen: Gerhard Schröder fleht in Hannover, Angela Merkel leidet in Emden
SPD-Landesparteitag am Samstag in Hannover: Für Kanzler Schröder endlich mal wieder ein Spaziergang. Die gut 200 Meter von seinem Reihenhaus im noblen Zooviertel zur Niedersachsenhalle geht er zu Fuß, vor Ort wird er von den Delegierten mit stehendem Beifall begrüßt. Manuskript braucht er keines, die Botschaft ist klar: Die Wahl sollen die Genossen nicht zu früh verloren geben, sagt Schröder. Auch 2002 habe die SPD das Ruder noch in letzter Sekunde herumreißen können. Mit fast 100 Prozent Zustimmung nominieren die Delegierten Schröder zum Spitzenkandidaten der Landespartei für die Bundestagswahl.
Rund 250 Kilometer entfernt zieht seine Herausforderin Angela Merkel wenige Stunden später unter dem Applaus von mehr als 400 Delegierten in die Emder Nordsee-Halle ein. „Das Erbe von Rot-Grün ist schwer“, sagt Merkel. „Aber wir sagen vor der Wahl, was wir nach der Wahl machen werden.“ Nämlich: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Einschnitte beim Kündigungsschutz und Abbau von Sozialleistungen. Dass hunderte Demonstranten die CDU-Politiker vor der Halle mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen haben, trübt die Jubelstimmung nicht.
In Hannover präsentiert sich der Kanzler derweil als Staatsmann („Ich komme gerade vom G8-Gipfel“), der zusammen mit den Staatschefs der Welt die Lösung der drängendsten Probleme voranbringt. Rhetorisch geht Schröder in die Vollen. Er fleht, leidet, reckt die Faust empor und sagt: „Das ist doch grotesk, wenn man die Penner von gestern den Aufbruch von morgen gestalten lassen will.“ Was Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in Emden mit den Worten kommentiert: „Manchmal schafft es Schröder einfach, für sich selber zu sprechen.“
Die SPD wählt Schröder mit 191 von 192 Stimmen. Das mit Abstand schlechteste Ergebnis kassiert mit 163 Ja-Stimmen Niedersachsens Exregierungschef Sigmar Gabriel, dem der Einzug in den Bundestag auf Platz 5 der Landesliste dennoch sicher ist.
Am Schauplatz Emden sagt Merkel, in den vergangenen sieben Jahren habe Deutschland rapide an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verloren. Die Zahl der Arbeitslosen sei nicht gesunken, sondern habe sich um rund eine Million erhöht. Allerdings räumt sie Fehler der früheren Bundesregierung unter Kanzler Kohl ein: „Auch wir haben in Zeiten, in denen wir regiert haben, nicht immer das Richtige und das Notwendige getan, auch das gehört zur Wahrheit.“ Ministerpräsident Wulff warnt vor „Siegessicherheit“ bei einer vorgezogenen Bundestagswahl. „Siegeszuversicht“ hingegen sei erlaubt, sagte er. taz/dpa