■ Die Pandabärin kommt: Ein Herz für Tiere
Die Liebe zu den Tieren war hierzulande schon immer größer als der Schutz der Menschenrechte. Die Wette gilt: Jede Unterschriftenliste, die Tierschützer gegen Affen-Versuche sammeln, wird länger ausfallen als eine von amnesty international gegen Folterungen in China. So gesehen folgt die Aktion des Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen in Peking konsequent Volkes Gemüt. Das wissen auch die chinesischen Machthaber, die den CDU-Politiker nötigten, die Panda-Gebärmaschine persönlich abzuholen. Viel Kraft mußten sie dabei offenbar nicht aufwenden. Flugs erkannten hiesige Propagandisten, welch schönes Kapital aus der Inszenierung zu schlagen ist. Nicht nur in China wissen Regierende den Wert eines Bildes zu schätzen, das sie gemeinsam mit Kindern oder Tieren zeigt. Die Vorstellung, die in der nächsten Woche in Peking gegeben werden wird, entlarvt das Ausmaß an Verlogenheit deutscher Realpolitik.
Nicht genug damit, daß man mit einem diktatorischen Regime – das mittlerweile ein potenter Abnehmer deutscher (und Berliner) Produkte ist – seine normalen Geschäfte betreibt. Jede Seite will dabei noch ein extra Schnäppchen machen. Die Lufthansa schafft auf ihre Kosten die Pandabärin nach Berlin, ist aber ansonsten zu feige, einen von radikalen Muslimen bedrohten Schriftsteller wie Salman Rushdie zu befördern.
Der CDU-Spitzenkandidat Eberhard Diepgen darf sich über eine kuschelige Werbeshow zur Wahl 95 freuen. Und den Machthabern in Berlins Partnerstadt Peking dient die Übergabe als Beweis, daß zwar eine Handvoll Demonstranten im vergangenen Jahr dem chinesischen Ministerpräsidenten bei seinem Berlin-Besuch die Laune verderben konnten. Am Ende aber werden sie doch wieder hofiert – von denen, die politische Showeffekte ebenso brauchen und lieben wie sie selbst. Für Tiere schlägt in diesen Breitengraden das Herz eben immer noch höher als für Dissidenten mit unaussprechlichen Namen. Severin Weiland
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