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Die Opfer werden aufeinandergehetzt -betr.: "Krach gegen Sparen im Sozialbereich", taz vom 18.5.94

Betr.: „Krach gegen Sparen im Sozialbereich“, taz vom 18.5.

„Wirklich Geld gibt es nur noch für die Arbeit mit gewaltbereiten Jugendlichen.“ Mit diesem Zitat von MitarbeiterInnen des „Bündnisses gegen Sozialabbau“ endet der Artikel zum Aktionstag der Projekte. Aussagen wie diese sind letztlich darauf gerichtet, die Opfer des Abbaus des Sozialstates als Neider aufeinanderzuhetzen, statt gemeinsam anzutreten gegen das Kaputtsparen. Hintergrund der zitierten Aussage ist, daß im letzten Jahr so gut wie die einzigen Zuwachsraten bei Mitteln der Jugendarbeit in die Akzeptierende Jugendarbeit mit rechten Cliquen geflossen sind.

Der Skandal ist aber nicht, daß hierhin mehr geflossen ist als in den Vorjahren, sondern daß in viele andere Bereiche viel zu wenig geflossen ist. Denn ein Bedarf an sozialer Arbeit ist nicht deshalb weg, weil woanders ein anderer Bedarf nicht abgedeckt wird.

Im Übrigen: was sich in dem Zitat so üppig anhört, ist real eine Steigerung öffentlicher Mittel für nicht mal eine einzige Sozialarbeiterstelle für drei Projekte mit fünf MitarbeiterInnen auf einem Stand, der den Finanzaufwand für ein mittleres der 19 kommunalen Freizeitheime in Bremen entspricht. Das ist wahrlich nicht üppig!

Und von den Neidern möchte wohl auch kaum jemand mit den Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen in diesem neuen Feld der Jugendarbeit tauschen, weder mit der schweren Arbeit mit dieser Zielgruppe noch mit den äußeren Arbeitsbedingungen – wenn beispielsweise mangels anderer Räume auch im Winter als einziger Treff ein unbeleuchteter und unbeheizter Bauwagen oder Container bleibt, weil verschiedene Behörden mit immer neuen Auflagen bis heute Stromanschlüsse verhindern.

Prof. Franz Josef Krafeld

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