Die Opfer werden allein gelassen

■ betr.: „Wegmachen können wir hier nichts“, „Einsperren, therapieren – und vorbeugen“, taz vom 1.11. 96

Es scheint gerade „in“ zu sein, sich für Gewaltverbrechen an Frauen und Mädchen zu interessieren.

Nachdem jahrelang Frauen auf die massenhafte Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht haben, ohne ein vergleichbar großes Forum in den Medien zu finden, nehmen sich jetzt Männer dieses Themas an. Sie nutzen im großen Stil die von ihnen selbst beherrschten Medien, um die Angst der Frauen vor dem „fremden Mann“ zu schüren. Nur am Rande sprechen Männer in den Medien davon, daß die meisten (sexuellen) Gewalttaten von Männern begangen werden, die die Frauen vorher kennen. Sie trauen diesen Männern und sind ihnen um so schutzloser ausgeliefert! Indem mann von dieser Tatsache ablenkt, erübrigt es sich, die Ursachen für die von Frauen erlittene Gewalt bei allen Männern zu suchen.

Mann kann sich in Ruhe um die „paar“ kriminellen Gewalttäter kümmern. Und wie sie das tun!

Da werden dann für 290 männliche Straftäter 66 Therapeuten, 220 Krankenpflegekräfte und 90 weitere Angestellte bezahlt, die Therapie dauert sechs bis acht Jahre bei je vier Therapiesitzungen pro Woche. Und wie ergeht es den mißhandelten Frauen, den weiblichen Opfern?

Diese Frauen müssen ein Spießrutenlaufen an Ignoranz und Hilflosigkeit erleben! Frauenhäuser haben keine üppigen Personalstellen, wenn überhaupt öffentliche Gelder zur Verfügung stehen. Mißhandelte Frauen müssen aus ihren Wohnungen vor dem Mißhandler fliehen! Männliche Richter sprechen dem Gewalttäter die eheliche Wohnung zu! Die Frauen müssen oft von Sozialhilfe leben, sich im Frauenhaus mit den Kindern ein kleines Zimmer auf unbestimmte Zeit teilen. An Therapie ist selten zu denken. Es gibt keine staatlich finanzierten Schutz- und Therapiezentren, in denen Frauen geholfen wird, das Gewalttrauma zu verarbeiten! Nein, jede einzelne Frau muß um Hilfe und Therapie kämpfen. Umsonst und sofort bekommen nur die Täter Hilfe und Therapie! Die Opfer werden allein gelassen.

Da kann doch was nicht stimmen! Elisabeth Büsch, Bielefeld