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Die Öl-KatastropheLethargie statt Aufstand

Die Ölpest am Golf von Mexiko wird täglich schlimmer. Proteste in Deutschland gibt es kaum. Ganz anders in den Neunzigern, als die Ölplattform "Brent Spar" versenkt werden sollte.

Greenpeace-Aktivisten gegen die Öl-Katastrophe. Bild: dpa

Geschlossen wegen Klimawandels" stand auf einem Plakat an der Zapfsäule. 200 bis 300 Aktivisten blockierten die Zufahrten zur Tankstelle. Eine Sambagruppe trommelte bei Sonnenschein unter blauem Himmel. Kletterer befestigten am Dach ein Transparent: "Total = Aral = Shell = BP, Bohrlöcher zumachen!" Eine spontane Aktion am 5. Juni, dem Wochenende der Klimaproteste in Bonn - und endlich eine sichtbare Reaktion auf die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko. Auch in der virtuellen Welt regt sich hier und da Protest. So gibt es die üblichen Facebook-Seiten wie "Boycott BP" mit über 700.000 Fans. Und auf dem Bilderportal Flickr werden massenhaft verfremdete BP-Logos hochgeladen.

Viel mehr Proteste gibt es in Deutschland angesichts der größten Umweltkatastrophe der US-Geschichte aber nicht. Für NGOs und Umweltbewegungen scheint der Fall "Deepwater Horizon" kaum Protestpotenzial zu haben. "Wir haben keine konkreten Pläne für Aktionen", sagt etwa Tadzio Müller vom Netzwerk Climate Justice Action. "Geplant ist momentan nichts", meint Thorben Becker, Energieexperte vom BUND Naturschutz. "Wir sind vollauf mit anderen Themen beschäftigt, es ist gerade nichts geplant", sagt Attac-Pressesprecherin Frauke Distelrath. Und Greenpeace-Aktivist Christian Bussau sagt: "Ich wüsste nicht, welche sinnvollen Protestaktionen es in diesem Fall geben sollte." Einzige Ausnahme: Kleine Greenpeace-Aktionen vor den Zentralen von BP, Esso und Shell in Hamburg und Bochum. Allgemein zeigen sich die NGOs im Umgang mit dem Ölleck im Meeresboden ebenso ratlos wie die Obama-Administration und die BP-Konzernzentrale.

Dass sogar Christian Bussau die Ideen fehlen, wie die Öffentlichkeit aus der Lethargie zu reißen wäre, ist aussagekräftig. Schließlich hat der Greenpeace-Sprecher miterlebt, wie Protestaktionen ein ganzes Land in Aufruhr bringen können: Bei der legendären Besetzung des schwimmenden Öltanks "Brent Spar" 1995 war er mit dabei. Rund 100 Tonnen Ölschlamm wurden damals im Bauch des 140 Meter hohen Kolosses vermutet, die geplante Versenkung durch Shell im Meer wollte Greenpeace deshalb mit allen Mitteln verhindern. Über eine Woche verbrachte Bussau auf der Plattform, kettete sich am Ende an ihr fest, bis sie am 23. Mai geräumt wurde. 100 Tonnen Ölschlamm - das erscheint heute fast lächerlich: In den Golf von Mexiko fließt nach der BP-Katastrophe Tag für Tag die 80-fache Menge ins Meer. Schon seit dem 20. April - und wann das Leck geschlossen werden kann, kann derzeit niemand beantworten.

Bild: taz

Dieser Artikel ist aus der aktuellen vom 3./4. Juli 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.

Riskante Öl-Kolosse

Das war die "Brent Spar": 1995 plant der Erdölkonzern Shell, die "Brent Spar", ein schwimmendes Rohöllager, in der Nordsee zu versenken. Aus Protest besetzen Greenpeace-Aktivisten die Plattform am 30. April, erst nach dreieinhalb Wochen gelingt es Shell, die "Brent Spar" zu räumen. Mitte Juni beginnt der Konzern, sie Richtung Atlantik zu schleppen, um sie dort zu versenken. Öffentliche Proteste, Boykotte und weitere Besetzungen folgen. Erst am 20. Juni gibt Shell auf: Die "Brent Spar" wird demontiert.

Das war die "Deepwater Horizon": Am 20. April 2010 kommt es während einer Bohrung in 1.500 Meter Wassertiefe auf der Bohrplattform "Deepwater Horizon" zu einer Explosion. 11 Menschen sterben. Trotz der Löschversuche sinkt die Bohrinsel zwei Tage später. Seitdem strömt Erdöl aus einem Leck im Meeresboden. Zunächst ist von 160.000 Litern Öl pro Tag die Rede, inzwischen geht die US-Regierung von rund 10 Millionen Litern täglich aus. BP will das Leck bis August mit Hilfe von Entlastungsbohrungen schließen.

Damals, als die "Brent Spar" versenkt werden sollte, genügten diese 100 Tonnen, um die größte Boykottbewegung eines Konzerns in der BRD-Geschichte auszulösen. Einige Behörden und Verbände tankten ihre Dienstwagen nicht mehr bei Shell, die Supermarktkette Tengelmann empfahl ihren fast 200.000 Angestellten das Gleiche. Die Junge Union, Kirchenverbände, Gewerkschaftschefs, Guido Westerwelle, Theo Waigel, Klaus Kinkel, Helmut Kohl: Alle kritisierten das Vorhaben des Shell-Konzerns oder forderten gleich seinen Boykott. Zwei Drittel der Bundesbürger waren laut einer Emnid-Umfrage ebenfalls dazu bereit. An einigen Tankstellen brachen die Umsätze darauf um bis zu 50 Prozent ein. Manche gingen militant vor: Einem Shell-Tankstellen-Pächter wurde eine Briefbombe geschickt, weitere erhielten Bombendrohungen, in Hamburg wurde ein Brandanschlag auf eine Shell-Station verübt. "Shell to hell" wurde an den Tatort gesprüht.

Christian Bussau hatte sich, als er vor etwas mehr als 15 Jahren in einem Fischkutter zur "Brent Spar" übersetzte, diese Resonanz zu Hause nicht vorstellen können. "Ich habe mich tatsächlich gewundert, wie groß der Protest wurde", sagt er heute. Und vermutet: "Es sind wohl viele Leute auf den Zug aufgesprungen, um für sich ein grünes Image herauszuholen." Mit rund einem Dutzend Mitstreitern belegte er damals die verwaisten Kajüten auf der "Brent Spar". Die trieb zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelang ungenutzt im Meer. "Die ,Brent Spar' war in einem katastrophalen Zustand, mit Meeresromantik hatte das nichts zu tun", erinnert sich Bussau. Ohne fließend Wasser, ohne Strom, bei Temperaturen knapp über null, hunderte Kilometer nordöstlich des schottischen Festlandes. Über die Plattform jagten nachts tieffliegende Wolken, von den Fackeln der umliegenden Bohrinseln rot angeleuchtet, im Meer schwammen stinkende Öllachen. Schon bald kreuzten Boote von Shell auf, die mit Wasserwerfern die Besetzer attackierten.

Was war vor 15 Jahren anders? "Damals wussten die Menschen, dass sie konkret etwas verhindern können", erklärt sich Bussau den Erfolg der "Brent Spar"-Kampagne, "deshalb haben so viele Menschen sofort mitgemacht." Dadurch wurde die "Brent Spar" zum Symbol: für die Macht des Verbrauchers, einen Weltkonzern zum Umlenken zu bewegen.

Die heutige Situation, nach dem Untergang der "Deepwater Horizon", sei komplizierter, sagt Bussau: "Das Problem jetzt auf BP zu reduzieren verkleinert es. So etwas kann überall passieren, und es betrifft alle großen Ölkonzerne." Zum Boykott von BP will er deshalb nicht aufrufen. In einem Greenpeace-Papier heißt es dazu: "Auch wer sein Auto betankt, trägt seinen Teil der Verantwortung." Die Einschränkung des Verbrauchs verhindere Ölkatastrophen besser als Boykotte.

Der Bewegungsforscher Roland Roth hatte Mitte der neunziger Jahre die "Brent Spar"-Kampagne intensiv analysiert. Im Vergleich zu damals vermisst er heute Diskussionen, Gegenöffentlichkeiten, Proteste. Und kritisiert die Haltung von Greenpeace: "Eine große internationale Boykottbewegung wäre eine großartige Sache. Damit würden die Kosten für derartige Unfälle nach oben getrieben und die Ölindustrie könnte nicht so weitermachen wie bisher."

Er verwendet jedoch bewusst den Konjunktiv. Einen ähnlich breiten Protest wie 1995 erwartet er nämlich nicht. Die "Brent Spar"-Kampagne sei eher geeignet gewesen, Protest anzufachen. So habe sie als "erster Fall eines breiten Konsumentenboykotts" den "Charme des absolut Neuen" gehabt. Außerdem seien damals die Nordsee und das Wattenmeer in Gefahr gewesen, im aktuellen Fall gebe es "keine unmittelbare Betroffenheit" in Deutschland. Und schließlich wollte die Bewegung 1995 einen Präzedenzfall für das Versenken alter Ölplattformen verhindern, jetzt seien Tiefseebohrungen dagegen allgemeine Praxis. Nicht nur bei BP, auch bei zahlreichen anderen Ölkonzernen rund um den Globus. "Je abstrakter die Gefährdung, desto kleiner die Gruppen, die mobilisieren", sagt Roth.

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11 Kommentare

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  • UF
    Uns fällt einfach nichts ein :(

    Ich finde die Frage ist schon angebracht.

    Der WWF macht TV Werbung für sterbende bengalische Tiger , während unser halbes Meeres Ökosystem gefährdet ist.

    Auch Greenpeace scheint nichts einzufallen ...

    Wofür unterstützt man diese Organisationen denn, wenn ihnen nichts einfällt ,wenn es mal wirklich wichtig wird.

     

    Warum gibt es denn z.B. keinen Greenpeace Schiffe im Golf, die eine diese Katastrophe untersuchen und vorallem die eingeleiteten Gegenmaßnahmen bewerten ?

     

    BP muß dafür einfach zur Kasse gebeten werden, damit jeder Ölkonzern weiß wem dieser Planten wirklich gehört. BP muß von den USA pleite verklagt werden, ganz einfach. Dafür (oder für ähnliche Maßnahmen) sollten indirekt beworben werden, naja die vom WWF scheinen die bengalischen Tiger wohl derzeit wichtiger zu sein ...

  • A
    alcibiades

    @capella: Der Unterschied zwischen einem Unfall und eoner geplanten Versenkung ist erstmal klar, sicher auch der Redaktion.

    Jetzt wird es komplizierter: ist die Vokalbel "unglücklicherweise" berechtigt? Haben die Verantwortlichen bei BP es nicht eher darauf angelegt? Ein kleines Beispiel: Wenn ich in meiner Wohnung die Bohrmaschine nähme und ein paar Löcher aufs Geratewohl bohrte, würde irgendwann aus einem der Löcher etwas Unerwünschtes rauskommen. Elektrizität zum Beispiel, oder der Inhalt von Nachbars Wasserleitung. Dann gibt es aber immernoch Hausmeister, Elektriker oder Klempner, die ich rufen könnte, um die Folgen meines unbedachten Tuns wieder in den Griff zu bekommen, so wie eine Versicherung, die den Wasserschaden beim Nachbarn unter mir bezahlt.

    All dieses gibt es im Fall von BP nicht. Die einzigen Spezialisten, die überhaupt Ideen haben könnten, wie das Loch zu stopfen wäre, arbeiten für die Konzerne selber und wie sich zeigt, sind sie einfach schlecht (nicht) vorbereitet gewesen, das kann jeder selbst im Fernsehen feststellen. Nur um sich das nochmal auf der Zunge zergehen zu lassen: Wir bohren jetzt eine Ölblase mit geschätzten 7 Mrd. Litern unter Druck stehendem Öl in einer Tiefe an, wo Menschen gar nicht ran können, und für den Fall, dass das schief geht, haben wir KEINEN NOTFALLPLAN.

    Hier liegt doch der eigentliche Skandal. Die werten Konkurrenten der Firma BP halten sich raus, lassen ihre Anwälte und Buchhalter schon mal die Chancen auf eine Übernahme der Reste von BP planen und haben im Übrigen nichts Besseres zu tun, als per Gerichtsbeschluss die von der amerikanischn Regierung vernünftigerweise vorläufig verhängten Bohrstopps kippen zu lassen.

    Jede Wette: Falls BP jetzt an den finanzielle Folgen des Bohrunfalls kaputt geht, wird der Kuchen halt unter den Mitbewerbern aufgeteilt, die dann einen schönen Grund haben, die Verantwortung abzulehnen: Wir sind doch gar nicht BP, lasst das mal den Staat zahlen. Vielleicht zieht die Führungsetage von BP sogar bewusst etwas in Betracht, was hierzulande wohl mit "Planinsolvenz" umschrieben werden könnte. Bei einer solchen Konzernzerschlagung könnten immer noch eine Menge Leute ordentlichen Reibach machen und man könnte sich der überhaupt noch nicht absehbaren Folgekosten entledigen. Prima Geschäft. Wen scheren schon die Folgen auf die Region.

    Was ich sagen will: Es gäbe reichlich Grund und Gelegenheit für Protest. Boykott nur von BP und Tochterfirmen (Aral zB) greift zu kurz, aber wenn man nicht konsequent sein Auto stehen lassen will oder kann, sollte man wenigstens mal eine Mail an die Verantwortlichen schreiben oder Ähnliches, dafür muss man nicht mal aufstehen.

  • J
    Jonas

    Wie soll man da protestieren, wenn ich will konsumieren? Jeder ist schuldig und ich bin still. Wie soll ich auf die Straße gehen? Mit dem Pranger unterm Arm? Nein, BP ist Schuld nicht ich! Wie ich soll meine Konsequenzen daraus ziehen und weniger konsumieren? Kommt die Ölpest an unsere Küsten werden ich es evtl. tun. Warum? Weil mein Boot verschmutzt wird verdammt noch mal und außerdem keine Erträge mehr in die Netzte schwimmen. Der eigene Vorteil wir geschmälert....Protest! Egal ob schuldig oder nicht, jetzt geht es um meinen Geldbeutel. Was! Ich habe vorher gespart und muss jetzt die Nachzahlung leisten? Das sehe ich ja gar nicht ein. Ich geh doch nicht wieder mit dem Gaul auf den Acker. Sollen die "Intelligenzia, Ingenieure, Künstler, Kulturbonzen, Autoren und Schriftsteller" sich doch was einfallen lassen. Irgend ein Elektro-Wasserstoff-Holzschiff. Kein Plastik mehr. Iss eh ungesund.

     

    Was? das Bohrloch schließen? Nein, dass will ich nicht! Erst will ich Strukturen für Alternativen schaffen und endlich weniger konsumieren. So jetzt können wir das Bohrloch schließen. Ach und wenn wir schon dabei sind schließen wir doch die anderen auch gleich. Wie? Welches Jahrtausend haben wir? Hier geht es um Jahrmillionen. Die vergehen in Jahren.

    Ich trage meinen Teil und ich fühle mich schuldig. In mir trage ich einen stillen Protest mit mir selbst aus. Mal sehen wer gewinnt.

    Grüße nicht von der Küste an die Küsten

  • L
    Lena

    Es ist in der Tat so, dass ich mich nur noch ohnmächtig und hilflos fühle - das Thema ist so unbequem, dass die Leute weniger auf BP schimpfen, als auf die EWIGGESTRIGEN Ökos! Die Leute gehen in der Tat nur auf die Strasse, wenn's um die WM geht. Die Hup-Konzerte der Autokolonnen nach jedem Spiel... so lange das drin ist, kann das ganze ja nicht so schlimm sein.

     

    Sieht doch so aus, dass wir den großen Gau ja gerade zu brauchen, um aufzuwachen.

     

    http://www.gofeminin.de/gesellschaft/freddy-reitz-d14224.html

  • E
    esuark

    Das Thema des Artikels spricht mich sehr an, denn meiner Meinung nach könnte man Protestaktionen mit einer sehr konkreten Forderung verbinden.

    BP hat einen großen Fehler gemacht und ist mit dessen Behebung überfordert. Dass hätte jedem anderen Konzern auch passieren können. Die aber lachen sich ins Fäustchen, weil BP vielleicht daran kaputt geht. Ein Boykott bringt hier nichts.

    Jetzt muss die Schadensbegrenzung durchgesetzt werden von allen, die klug genug sind zu erkennen, dass hier viel mehr kaputt geht, als mit Geld jemals aufzuwiegen sein wird. Offensichtlich wird das Risiko in Kauf genommen, das Leck auslaufen zu lassen, bis das Ölfeld nach geschätzten 2 bis 4 Jahren leer ist. Und dazu folgende Idee:

    Die Zulassungsbehörden können, wenn sie es ernst meinen, das unfreiwillige Experiment des Öllecks als Chance und Trainingsfeld nutzen . Es ist der Nachweis bei allen Ölkonzernen einzufordern, dass ein solcher Unfall beherrschbar ist, indem das Leck unmittelbar und sofort geschlossen wird (z.B. in gemeinsamer Aktion aller Bohr- und Ölkonzerne, die bereits Tiefseelizenzen besitzen oder beantragen wollen). Wenn das nicht gelingt, werden alle Tiefseebohrungen gestoppt und keine weiteren zugelassen, nach Möglichkeit weltweit. Und um eine solche Forderung durchzusetzen, ist die Fantasie und das Engagement von Greenpeace und anderen äußerst hilfreich. Und vielleicht gibt das auch genügend Impulse an die Journalisten und Zeitungsleser, dieses Thema noch etwas hochzuhalten und zu würdigen. Immerhin sprudelt es noch munter weiter.

  • MW
    Moses Wild

    Die Sprachlosigkeit hinsichtlich der Deepwater-Horizon-Katastrophe ergibt sich aus einer nie dagewesenen Situation; der Premiere eines von Menschen verursachten Ereignis in 1500 m Tiefe, einem Ereignis das genauso fremd und unwirklich daher kommt wie die Weltraumabenteuer des Perry Rhodan: - Extrem schaurig, fremd, aber wirklich bedrohlich nur für die unmittelbar betroffenen. Dies ist nicht meine Welt, keine Welt die ich Denken mag; also fehlen mir auch die Worte.

     

    Wollte ich meine Deepwater-Horizon-Sprachlosigkeit überwinden, müsste ich zunächst meine Lebensweise in Frage stellen; doch ein Leben ohne Erdöl und Erdölprodukte ist in meinem Alltag nicht möglich.

     

    Übrigens: - Wo bleiben die Statements der Intelligenzia, Ingenieure, Künstler, Kulturbonzen, Autoren und Schriftsteller ? Vermutlich geht es Ihnen wie mir: Sie sind aus vielerlei Gründen einfach nur hilflos, sprachlos, fatalistisch, ohnmächtig und resigniert.

     

    Amen

  • D
    dont_think_go_buy

    Ich kann mich nur wundern, warum diese menschengemachte Katastrophe, die, wenn der Ölfluss nicht gestoppt wird, in ihren globalen Auswirkungen Tschernobyl weit in den Schatten stellen wird, so wenig Beachtung findet. "Und jeder, der geschäftig an Dir vorbeieilt mit seinem kurzen Gruss, falls überhaupt, macht Dir klar, dass er keine Zeit hat für Tränen, Bedauern, irgendwelche Gefühle, oder gar Trost. "Warten wir es ab", sagen sie kurz angebunden, und: "Es bleibt uns ja sowieso nichts anderes übrig"

     

    "Wirklich nicht?!" Das wäre der gebotene Aufschrei, aber keiner schreit. Es ist, als hätten sich alle zugedröhnt, um keine Regung mehr aufweisen zu müssen.

     

    http://desparada-news.blogspot.com/2010/06/alle-die-bilder.html

     

    Der ökologische Schaden ist mit keinem Geld der Welt wieder gut zu machen und wird nicht auf die USA beschränkt bleiben. Experten sagen, das bei anhaltendem Ölfluss, in ca. 18 Monaten die braune Brühe auch an afrikanische und europäische Küsten strandet. Sogar BP, die nur das zugibt, was nicht mehr unter dem Teppich zu halten ist, spricht mittlerweile von zwei bis vier Jahren, die das Öl weiter strömen könnte, bis das Reservoir erschöpft ist. Vom Öl ganz abgesehen tritt auch massiv Methangas aus, das dem Wasser

    Sauerstoff entzieht und das Massensterben noch verstärkt.

     

     

     

    Eine kleine Linksammlung um sich mit den Dimensionen vertraut zu machen:

     

    BP: Öl könnte noch zwei bis vier Jahre sprudeln

     

    Noch mehr als sieben Milliarden Liter Öl befänden sich in der Ölquelle, sagte Hayward vor einem Ausschuss des US-Kongresses. Damit würde die Quelle noch immer 94 bis 97 Prozent ihres Öl enthalten.

     

    http://nachrichten.t-online.de/bp-oel-koennte-noch-zwei-bis-vier-jahre-sprudeln/id_42006194/index

     

    Wissenschaftler fürchten Methangas aus Bohrloch

     

    http://www.focus.de/panorama/vermischtes/oelpest-wissenschaftler-fuerchten-methangas-aus-bohrloch_aid_521089.html

     

    Dass der Golf von Mexiko ein risikoreiches Gebiet ist und es dort riesige Methangasvorkommen gibt, weiß man schon seit Jahren

     

    http://www.zeitgeist-online.de/exklusivonline/dossiers-und-analysen/738-golf-von-mexiko-oel-desaster.html

     

    Methane in Gulf 'Astonishingly High,' Scientists Say

     

    http://www.foxnews.com/scitech/2010/06/23/methane-gulf-astonishingly-high-scientist-says/

     

    The unseen disaster

    Oil spill's damage to the world beneath the waves is likely to be enormous and long-lasting

     

    http://www.statesman.com/opinion/insight/the-unseen-disaster-770857.html?srcTrk=RTR_95649

     

    Chemiekonzern verdient Millionen an Ölpest

    Mit der Chemikalie Corexit versuchte BP bislang, den Ölteppich am Golf von Mexiko einzudämmen. Dieses Mittel ist hochgiftig. Aber BP sitzt im Aufsichtsrat der Firma, die Corexit produziert. Ein Millionengeschäft...

     

    http://www.dw-world.de/dw/article/0,,5597537,00.html

     

    Corexit: „Tschernobyl unter Wasser“

     

    http://www.handelsblatt.com/technologie/umwelt-news/corexit-tschernobyl-unter-wasser;2594455

     

    Human Health Impacts Associated with the Dispersants Corexit 9500 and 9527

     

    http://leanweb.org/news/latest/health-impacts-associated-with-dispersants.html

     

    Wie Agent Orange im Golf von Mexiko

     

    Die Chemie gegen das Öl macht die Helfer krank. Die halten das Zeug für so gefährlich wie die Entlaubungsmittel im Vietnamkrieg und klagen BP an.

     

    http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2010-06/oelpest-chemie-gesundheit?page=all

     

    BP kauft Suchergebnisse

     

    Wer sich per Suchmaschine über die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko informieren will, bekommt derzeit häufig als Top-Ergebnis den Link zu einer BP-Angebot. Das ist kein Zufall, sondern Imagepflege: Der Ölkonzern hat bei Google, Bing und Yahoo bestimmte Suchbegriffe gekauft.

     

    http://www.stern.de/digital/online/oelpest-im-golf-von-mexiko-bp-kauft-suchergebnisse-1572740.html

  • IW
    Iris Wuttke

    Diese Katastrophe ist (oder kann werden, wenn das Loch sich nicht schließen lässt, vielleicht der Meeresboden über dem Ölfeld aufbricht) ja nicht nur die größte in der Geschichte der USA sondern eine der größten menschengemachten Umweltkatastrophen überhaupt, eine Art Super-Gau der Erdölwirtschaft. Das zu Ende bedacht stellt unseren derzeitigen Erdölabhängigen/süchtigen Lebensstil zeimlich heftig in Frage - es gibt keine einfachen Lösungen, auch keine bequemen - ich vermute, daß deshalb niemand an das Thema heranwill

  • C
    Capella

    Der Unterschied zwischen einem, vielleicht im Vorfeld vermeidbaren aber nunmal unglücklicherweise bereits geschehenen Unfall und dem absichtlichen Versenken einer Ölplattform müsste doch selbst bei sommerlicher Hitze auch der TAZ-Redaktion einleuchten, oder?

  • H
    Hans

    @jottHa:

    Ganz toll. Du gehst - wie die meisten anderen "mündigen Bürger" - sowieso nur auf die Straße, wenn's Public Viewing gibt.

    Vielleicht solltest du wirklich deine Wohnung abmelden und stattdessen ein fensterloses Kellerabteil mieten... das passt besser zu dir.

  • J
    jottHa

    Hey TAZler, wenn ihr einen sensationsbericht über proteste und demos schreiben wollt, dann organisiert doch eure demos selbst.

    Gegen was, oder meinetwgen auch wofür, soll denn der mündige bürger noch alles demonstrieren oder widerstand organisieren?!

    Wenn man gegen jeden und alles auf die straße gehen soll, dann können wir unsere wohnung abmelden und gleich auf dem bürgersteig kampieren. Bei all der scheiße die uns momentan überrollt.

     

    Schönes wochenende.....