: Die Mauer lebt - in Manchester
■ In Manchester wurde sie nachgebaut / Männer in DDR-Uniformen raunzen die Touristen an / Englisch mit deutschem Akzent - alles wie im richtigen Leben
Manchester. In Manchester wurde eine Nachbildung der Berliner Mauer auf dem Gelände der Granada -Fernsehgesellschaft geschaffen - komplett mit unfreundlichen Wachposten. Diese sprechen englisch mit deutschem Akzent. Die „Berliner Mauer“ auf dem TV-Gelände wurde vor zwei Jahren als Kulisse für die britische Fernsehserie „Game Set and Match“ (etwa: „Spiel, Satz und Sieg“) gebaut.
Seit Beginn der Führungen am 20. Juli 1988 haben sich viele der mehr als eine Million Besucher des Fernsehgeländes beim Anblick der „Berliner Mauer“ eine Gänsehaut geholt. Die mit Graffiti überzogene Mauer kommt zwischen der „Baker Street“ des Detektivs Sherlock Holmes und der Dekoration für die britische Seifenoper „Coronation Street“ in Sicht. Die altertümliche Straßenbahn, die jeweils etwa 40 Touristen durch die Szene fährt, hält, und zwei Männer in Uniformen der DDR-Grenzpolizei steigen ein. Einer von ihnen, groß und blond, verlangt barsch von einem Fahrgast, daß er seine Aktentasche öffne. Sein kleinwüchsiger Gefährte blickt wortlos und finster vor sich hin.
Als der Kalte Krieg zwischen Ost und West noch eine Realität war, gab es an der Kulissenmauer sogar noch Hundestreifen, was Besucher zusätzliches Schaudern bescherte. „Früher ließen wir Väter aus der Tram abführen, und die Kinder schrien: 'Bringt Vati nicht weg!‘ Wir drohten Besuchern auch mit dem Gefängnis“, berichtet Roy Stonehouse aus Yorkshire, der sich die Mauerbesichtigung ausgedacht hat.
Nachdem sich die echte Berliner Mauer geöffnet hatte, ließ Stonehouse ein Loch auch in die Fernsehmauer brechen. Glücklich ist er darüber nicht. „Das war nicht sehr erfolgreich“, gesteht er. „Es sieht jetzt aus, als ob Mäuse an der Mauer genagt hätten.“
Die Mauer in Manchester steht auf einem 225 Quadratmeter großen Grundstück und erfüllt auch einen praktischen Zweck. Sie schirmt das Fernsehgelände von dem nebenan gelegenen Museum für Wissenschaft und Industrie ab, dessen Besucher sonst kostenlos auf das Gelände blicken könnten.
ap/taz
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