: Die Manamana-Routine
■ Jazz und HipHop im Zwiegespräch: Die „Jazzkantine“ kochte im „Modernes“
Ob Jazz und HipHop eine gleichberechtigte Zweierbeziehung ohne Ehevertrag eingehen können, ist strittig, aber die „Jazzkantine“ ist bestimmt der bislang geglückteste Versuch. Bekannt wurde das Projekt mit wechselnden Musikern beider Richtungen sicherlich durch die Mitwirkung prominenter Hip Hopper von den „Fantastischen Vier“ oder „Such A Surge“. Schnell hat sich das ganze jedoch audi bei den Jazzern herumgesprochen, wie am Mittwoch im Modernes unschwer zu erkennen war. Zwar war das Durchschnittsalter niedriger als bei üblichen Jazz-Konzerten, aber die Schlips- und Anzugträger jenseits des schulpflichtigen Alters waren gegenüber den Baseball-Mützen-Kids in der Überzahl.
Auf der Bühne gestaltete sich das Bild ganz ähnlich: Drei Rapper und ein DJ gegen fast doppelt soviele Jazz-Musiker. Aber nein – sie waren ja gar nicht gegeneinander! Sie musizierten tatsächlich gemeinsam. Der Rap fügte sich, als wäre er dafür erfunden worden, in den Jazz, und die Rapper machten sich und dem Publikum keine Illusionen, wobei es sich bei der „Jazzkantine“ handelt: „Es... ist... Jaaaazz!“ – diese Feststellung wurde dann auch immer wieder stolz ins Publikum gerappt. Es war wirklich Jazz, und das war gut so. Denn nur durch die Dominanz der älteren Musik wurde dieses Experiment lebendig, luftig und abwechslungsreich. Mal kamen die Arrangements swingend daher, mal erinnerten sie an 70er Jahre-Krimiserien-Soundtracks, mal an Game-Show-Erkennungsgeorgel. Hin und wieder machten sie sogar aus Coverversionen banaler Popsongs aufregende Instrumentalerkundungen. Lediglich die zu glatten und zu häufigen Bläsersätze hätte man reduzieren können; einige Male kam bei ihnen unangenehme Blues Brothers-Coverband-Stimmung auf.
Die Rapper mußten sich schon damit abfinden, daß die Instrumentalisten mehr Applaus bekamen und auch mehr zu tun hatten. Etliche Nummern spielten sie ganz alleine. Aber wenn die HipHop-Fraktion mal zum Zuge kam, wurde auch sie vom Publikum angemessen gewürdigt. Besonders ihr DJ führte eindrucksvoll vor, daß zwei Plattenspieler ein Musikinstrument sein können. Sein Scratching konnte locker mit den herkömmlichen Improvisationen mithalten, und Duelle mit Keyboards, Gitarren oder Trompeten absolvierte er ebenfalls souverän. Die Texte seiner drei Freunde handelten zumeist von Musik und Liebeleien, brachten aber auch löbliche Anti-Waffen-Statements. Ansonsten bot man gelungene Human-Beat-Box-Passagen und die üblichen Call-and-Response- Spiele mit dem Publikum, die manchmal ein wenig an die gute alte „Manamana/ Bidibidibi“-Routine aus der „Sesamstraße“ erinnerten.
„Respekt ist unsere Aufgabe und keine falsche Maske, die ich aufhabe“ heißt es in einem Schlüssel-Song der „Jazzkantine“, und Respekt haben sie sich gleich in zwei Lagern erspielt. Zumindest sind sie sich in ihrer Kantine so nah wie eben möglich gekommen.
Andreas Neuenkirchen
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