Die Lage in Syrien: Keine Flugverbotszone – noch nicht
Der frühere syrische Ministerpräsident spricht vom Zusammenbruch seines Landes. Die USA sind vorerst gegen eine Flugverbotszone. Die Gefechte gehen derweil weiter, wieder starben Dutzende.
BEIRUT/AMMAN dapd | Das syrische Regime steht nach Angaben des geflüchteten früheren Ministerpräsidenten Riad Hidschab „moralisch und wirtschaftlich am Rande des Zusammenbruchs“. Bei einem Auftritt in Jordanien rief er am Dienstag zugleich andere politische und militärische Führer in Damaskus auf, ebenfalls zur Opposition überzulaufen.
Die Kämpfe im Land gingen unterdessen weiter. Der Forderung der Rebellen nach Einrichtung einer Flugverbotszone erteilte US-Verteidigungsminister Leon Panetta im Interview mit der Nachrichtenagentur AP vorläufig dennoch eine Absage. Technisch sei dies zwar möglich, aber bisher fehlten für eine Umsetzung die politischen Entscheidungen.
Zur Begründung seiner Flucht nach Jordanien in der vergangenen Woche erklärte Hidschab in Amman, die Angriffe der syrischen Streitkräfte auf Hochburgen des Widerstands hätten ihm in der Seele weh getan. Aber es habe nicht in seiner Macht gestanden, diese Ungerechtigkeit zu stoppen. Syrien sei voll von ehrbaren Persönlichkeiten die nur auf ihre Chance warteten, sich der Revolution anzuschließen, sagte Hidschab vor einer Fahne der Rebellen. Er fordere die Streitkräfte auf, den Beispielen aus Ägypten und Tunesien zu folgen und sich dem Volk anzuschließen.
Panetta sagte der AP in Washington, die US-Regierung bereite sich auf verschiedene Szenarien in Syrien vor. Die Einrichtung einer Flugverbotszone, die Mitarbeiter von Außenministerin Hillary Clinton bei einem Besuch in Istanbul am Wochenende ausdrücklich nicht ausgeschlossen hatten, sei eine Option von vielen, die auf dem Tisch lägen. „Doch wir haben auch auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung hingewiesen“, sagte Panetta. Die Option habe daher derzeit nicht oberste Priorität.
Rebellen rufen um Hilfe
Die syrischen Rebellen hatten angesichts der vermehrten Luftangriffe durch Truppen von Präsident Baschar Assad immer dringlicher eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft gefordert. Erst am Montag schossen die oppositionellen Kämpfer nach eigenen Angaben einen Kampfjet Assads ab und nahmen den Piloten gefangen. Die Staatsmedien dementierten dies und sprachen von einem Übungsflug, bei dem ein technischer Fehler aufgetreten sei. Der Pilot habe sich daraufhin mit dem Schleudersitz in Sicherheit gebracht, hieß es.
Die Gefechte in Syrien gingen am Dienstag unvermindert weiter. Die in London ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von Kämpfen in der Provinz Idlib. Andere Aktivisten meldeten Gefechte in der Wirtschaftsmetropole Aleppo, in der Hauptstadt Damaskus sowie in der südlichen Provinz Daraa. Landesweit kamen den Angaben zufolge mindestens 45 Menschen ums Leben. Insgesamt sind seit Beginn des Aufstands im März 2011 laut Aktivisten mehr als 20.000 Menschen in Syrien getötet worden.
Um sich einen Überblick über die Lage vor Ort zu verschaffen, reiste am Dienstag die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos in das arabische Land. In Damaskus werde sie unter anderem Vertreter des Außenministeriums sowie Hilfskräfte des Roten Halbmondes treffen, sagte ein Sprecher ihres Büros in Genf. Nach Angaben der UN sind etwa zwei Millionen Menschen von dem Konflikt in Syrien verletzt, in die Flucht getrieben oder von grundlegender Versorgung abgeschnitten worden. Mehr als 200.000 Syrer haben demnach das Land verlassen.
Hisbollah soll 1.500 Kämpfer nach Syrien geschickt haben
Im Libanon dementiere die radikalislamische Hisbollah am Dienstag Berichte über die Gefangennahme eines ihrer Mitglieder durch syrische Rebellen. In einem im Internet veröffentlichten Video hatte ein Mann erklärt, er sei einer von 1.500 Kämpfern der schiitischen Miliz, die von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah über die Grenze geschickt worden seien, um Assad zu unterstützen.
Die Angaben aus dem Video konnten nicht unabhängig überprüft werden. Die syrische Opposition hat der schiitischen Gruppierung aber wiederholt vorgeworfen, Kämpfer nach Syrien zu entsenden. Die Hisbollah bestreitet dies. Im Mai griffen die syrischen Rebellen elf libanesische Schiiten auf, die von der Türkei auf dem Weg in den Libanon waren. Sie werden offenbar festgehalten, um Druck auf die Regierung in Beirut auszuüben, die Rebellen stärker zu unterstützen.
In Peking wurde am Dienstag ein Gesandter Assads im chinesischen Außenministerium erwartet. Ein Ministeriumssprecher sagte, China denke auch darüber nach, Vertreter der syrischen Opposition einzuladen. China hat an der Seite Russlands in den vergangenen Monaten mehrmals die Verabschiedung einer Resolution im UN-Sicherheitsrat verhindert, die Sanktionen gegen die syrische Regierung ermöglicht hätte.
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