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Die KleinenWer Kleingärtner quält, wird nicht gewählt

■ Die WBK fordert Wohnrecht für Laubenpieper und Sicherheit auf den Straßen

Die Kleingärtner gehören zu Berlin wie Currywurst, Schultheiss und Hertha BSC. Grabend, häckselnd, gießend und schneidend verwirklichen Zehntausende an sonnigen Sommerwochenenden ihren Traum von der eigenen Scholle. Aber ähnlich wie die Herthaner um ihre Existenz kämpfen, müssen auch die Laubenpieper um ihr kleines Idyll zwischen S-Bahn-Trasse und Schnellstraße bangen. Denn immer mehr Kolonien sollen dem Hauptstadtumbau weichen. Jetzt haben die Kleingärtner die Nase voll. „Wenn wir nicht mitmischen in der Politik“, sagt Werner Langer, „züchten wir bald unsere Tomaten auf dem Balkon.“ Im vergangenen Februar gründete der 52jährige Kaufmann gemeinsam mit sechs Mitstreitern eine eigene Partei, die Wählerinitiative der Berliner Kleingärtner und Bürger (WBK).

Für die 200 Mitglieder zählende Laubenpieper-Lobby gibt es genug zu tun: Mehr als 15.000 Kleingärtnern droht das Aus, ihre Parzellen sind als Gewerbe- oder als Wohngebiet ausgewiesen. Wie beispielsweise die Spandauer Kolonie Sonneneck mitsamt der „Texas Town“. Vor Jahrzehnten wurde das Cowboydorf von einer Handvoll Berliner Westernfans aufgebaut, jetzt sollen Saloon, Sheriff-Baracke, Ställe und Planwagen unter die Planierraupe kommen. „In der Kolonie ,Neue Heimat‘ in Reinickendorf sollen die Leute den Abriß ihrer Laube sogar noch selbst bezahlen“, ärgert sich der Parteivorsitzende Hans-Bernd Bärfelde: „Eine Unverschämtheit!“ Neben einer Bestandsgarantie für alle Schrebergärten fordert der 50jährige Getränkegroßhändler einen sozialverträglichen Pachtzins. Denn bis 1998 steige die Pacht um bis zu 800 Prozent: „Welche Oma kann sich das noch leisten?“

Für ein Wohnrecht in den Lauben macht sich der Neuköllner Spitzenkandidat Werner Langer stark. „Wenn alle Kleingärtner in ihren Garten ziehen dürfen, werden in Berlin 40.000 Wohnungen frei.“

Würden die WBKler bei ihrer Klientelpolitik bleiben, wären sie selbst für einen hartgesottenen Städter mit einem Herz für Kleingärtner wählbar. Aber ihnen geht es um mehr: Sie wollen zum Auffangbecken der Parteiverdrossenen werden. Deshalb prangern sie Korruption, Umweltverschmutzung und Preissteigerungen an und klagen mehr Lehrstellen, Kindergartenplätze und Sicherheit ein.

Populistische Forderungen, die einige ihrer Kandidaten in Stammtischmanier umsetzen wollen. Wie der Spandauer Bezirksvorsitzende Heinz Gruhn. Der Pensionär verlangt nach höheren Strafen für Mehrfachtäter und einer „konsequenten Abschiebung von Asylanten“, die wiederholt straffällig geworden sind. Schließlich könne eine Oma „heute kaum noch ihre Rente abholen, ohne dabei überfallen zu werden“. Seine Forderungen seien nicht rechts, sagt er, sondern bitter nötig: „Unsere Politik folgt einem gesunden Empfinden.“ Die Parolen des Datschen-Ideologen stehen auch im Parteiprogramm: „kurze, aber harte Strafen“ für Kriminelle.

Die WBK rechnet sich gute Chancen aus, in die eine oder andere Bezirksverordnetenversammlung einzuziehen. Schließlich gibt es in Berlin 100.000 Kleingärtner, „zusammen mit ihren Angehörigen und Sympathisanten macht das 500.000 Stimmen“, rechnet Werner Langer vor. In den Parlamenten wollen die Laubenpieper gegen die etablierten Parteien kämpfen. Eine Koalition kommt für die WBKler auf keinen Fall in Frage – ganz im Sinne des Parteimottos: „Wer die Kleingärtner quält, wird nicht gewählt.“ Barbara Nolte

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