Die Helden von "Watchmen": Stell dich über das Recht

Textgetreuer Fotorealismus: Zack Snyder hat die Graphic Novel "Watchmen" verfilmt. Die Vorlage von Alan Moore und Dave Gibbons war einst bahnbrechend, der Film ist es nicht.

Szene aus Snyders Fantasy-Film "watchmen - Die Wächter". Bild: ap/paramount

In sekundenkurzen Szenen werden fast 40 Jahre Vorgeschichte zusammengerafft. Menschen stehen regungslos herum wie auf tableaux vivants, von Statisten gestellten Bildern aus dem 19. Jahrhundert, darin bewegen sich die Superhelden vor überbeleuchteten Hintergründen - all dies ist von herber Künstlichkeit. Beim Vorspann beweist Zack Snyder seine Fähigkeit, für Comics eine neue, ganz eigene Bildsprache zu entwickeln. Dann fängt der Film an, und der ist ganz anders.

Mehrere Anläufe sind gescheitert, "Watchmen" vom Szenaristen Alan Moore und Zeichner Dave Gibbons zu verfilmen. Zum einen, da im Comic offen über Sexualität geredet wird, was bei Produzenten offenbar die Befürchtung auslöste, keine Freigabe für die wichtigste Zielgruppe zu bekommen: Jungs im Teenageralter. Zum anderen liegt der Reiz von Alan Moores Szenario gerade darin, den Figuren eine flirrende Unbestimmtheit zu lassen - eine schwierige Vorgabe für Superheldenfilmemacher.

Zack Snyders Ehrgeiz richtete sich diesmal nicht darauf, etwas Neues zu entwickeln wie in "300", sondern so exakt wie möglich die Vorlage abzubilden, also textgetreuen Comicfotorealismus abzuliefern. Die Schauspieler sehen den Figuren sehr ähnlich, die Räume sind gleich ausgestattet, der Blickwinkel ist identisch, sogar die Montage der Erzählstränge übernimmt Snyder in reduzierter Form.

Also müsste doch alles in Butter sein, schließlich gehört der Comic zu den besten, die je erschienen sind. Aber bald stellt sich Langeweile ein. Bei dieser Verfilmung fällt auf, dass Snyder den Schauspielern kaum Raum lässt. Alles muss so aussehen wie im Comic, jede angedeutete Geste wird nachvollzogen. Nur einer überzeugt trotz des Korsetts. Jackie Earle Haley darf als Rorschach brillieren, ein Underdog, der längst nicht mehr verstanden werden will und der als Verbrechensbekämpfer eine blutige Spur hinter sich herzieht.

Der Film schleppt sich mühsam von Episode zu Episode. Snyder scheint das selbst gemerkt zu haben und fügt immer wieder Kampfszenen ein, die er mit schnellen Beats unterlegt - die Sexyness von purer Schnelligkeit, tausendmal erprobt bei Superheldenverfilmungen. Dafür wird schon mal die Stimmigkeit geopfert: Eben war Rorschachs Kompagnon Nite Owl noch fettleibig und impotent, auf einmal aber kann er eine ganze Bande von durchtrainierten Gefängnisinsassen vermöbeln.

Diese Kampfeinlagen sind bei "Watchmen" nicht nur Konfektionsware, sondern deplatziert. Alan Moores Botschaft, dass Gewalt keine Moral schafft, bleibt auf der Strecke. Eine Szene macht das besonders deutlich: Rorschach tötet bestialisch einen Kindermörder - im Comic gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, dass der Mann wirklich der Mörder war, im Film gibt der Verdächtige die Tat zu. Eine winzige Veränderung mit einer bedeutungsschweren Aussage. Bei Snyder wird aus Rorschach ein fast schon sympathischer Racheengel, während er bei Moore auch ein blindwütiger, von seinen Rachefantasien geblendeter Psychopath sein kann. Durch solche Änderungen gerät die Verfilmung nahe an eine dumpfe Selbstjustiz-Ideologie: Sich über das Recht zu stellen, ist hier nicht Hybris, sondern Notwendigkeit.

Eine Machtfantasie also. Ganz so mackerhaft aufgeblasen wie in "300" kommen die Männer zwar nicht daher, aber wir erfahren, dass Superhelden besseren Sex haben, wenn sie ihre Kostüme tragen - die Masken funktionieren offenbar als eine Art Viagra. Nicht nur hier beliefert Snyder Männlichkeitsklischees, auch dem Männlichkeitskitsch ist er zugeneigt. Am Schluss reißt ein verbitterter Rorschach sich seine Maske vom Gesicht, um seinem Mörder ins Gesicht zu schauen. So haben das viele Männer vor ihm in vielen Western gemacht. Nur bei Rorschach erweist sich das als widersinnig. Seine Maske ist sein Gesicht, das hat er selbst zuvor im Film gesagt. Er führt keine Doppelexistenz mehr, er ist ihr komplett verfallen. Solche dekonstruierten Helden mag Snyder nicht. Richtig draufhauen tut er diesmal aber auch nicht. Das ist keine Werktreue, sondern Entscheidungsschwäche.

"Watchmen". Regie: Jack Snyder. Mit Jackie Earle Haley, Malin Akerman, Billy Crudup. GB/USA 2009, 158 Min, ab 5. März 2009 in deutschen Kinos.

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