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Die Gesetze sind eindeutig! –betr.: „Mißbrauch: Lehrerkollegium in Aufruhr“, taz-Bremen vom 9.2.1999

Es gibt eindeutige Bundesgesetze: Man sollte meinen, die Bildungsbehörde wäre bestens in der Lage, mit Fällen, wie dem geschilderten, korrekt umzugehen. Statt dessen wird vor allem Unsicherheit und Inkonsequenz deutlich.

Seit 12 Jahren erfahre ich in der Beratungsstelle Schattenriss immer wieder von sexuellem Mißbrauch durch Lehrer an Schülerinnen. Die meisten dieser Fälle, davon konnte ich mich in Gesprächen mit der Bremer Schulaufsicht überzeugen, landen nicht in der Behörde, weil die Mädchen aus gutem Grund Angst vor den Folgen einer Aufdeckung haben. Oft wird ihnen nicht geglaubt, zugunsten der Beschuldigten wird ein Mißverständnis angenommen oder sie werden mitverantwortlich gemacht.

Ich bewundere die Schülerin, die sich offensiv gegen den sexuellen Mißbrauch durch ihren Lehrer zur Wehr gesetzt hat. Auch wenn sie zunächst einverstanden gewesen sein sollte, heißt das nicht, daß sie mitverantwortlich war. Als Schülerin stand sie in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Lehrer, die Verantwortung lag ausschließlich bei ihm.

Die gesetzlichen Grundlagen sind eindeutig. Den Kollegen zu versetzen, ist gängige Praxis. Das erfordert keine „Bereitschaft zum Wechsel“, sondern ist eine Möglichkeit der Behörde, auf solche Vorfälle zu reagieren. Die „Arbeit im Team“ klingt gut – wer hat das kontrolliert? Das „Vermeiden des Umgangs mit einzelnen Schülerinnen“ als Auflage ist letztlich ein Hohn. In welcher Schule, vor allem in einer Sonderschule mit kleineren Klassen und unterstützungsbedürftigen Schülerinnen, läßt sich Einzelkontakt nicht vermeiden. Was bleibt: Der Kollege hatte weiterhin den Rahmen, der ihm Kontakte zu Mädchen ermöglicht hat!

Und wie soll es weitergehen? Eine Suspendierung ist, so lese ich, nicht geplant. Die Täterforschung geht in der Regel nicht von „einmaligen Entgleisungen“ aus, die Wiederholungsgefahr wird als sehr hoch angesehen, das heißt ohne Therapie, die kontrolliert werden sollte, gibt es keine Verhaltensänderung. Ein bißchen weniger Geld, aber weiter unterrichten? Mich befriedigt die Lösung nicht! Welches Schulkollegium, welche Elternschaft möchte das Risiko tragen?

Ursula Müller, von der Bildungssenatorin freigestellte Lehrerin mit dem Arbeitsschwerpunkt „sexueller Mißbrauch“ für die Bremer Schulen tätig bei Schattenriß, Beratungsstelle gegen sexuellen Mißbrauch an Mädchen

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