piwik no script img

Die Geister, die sie riefen

■ Die Untoten der Hinrunde, St. Pauli und Nürnberg, trennen sich folgerichtig 0:0. Ebenso folgerichtig war es richtig gruselig

Das mit dem FC St. Pauli nimmt langsam gruselige Formen an. Wie Untote reisen die Hamburger durch die Lande, in ihrem rabenschwarzen Bus, den bloß ein paar Schädelknochen zieren. Wo dieser Bus parkt, öffnet sich der Blick in den finsteren Schlund des Fußballs. „Wir steigen ab, wir steigen ab, wir steigen ab, und ihr kommt mit“, sangen die St. Pauli-Fans mittags auf dem Nürnberger Weihnachtsmarkt, und abends feierten sie ihre Elf überschwänglich dafür, dass sie den Club mit an den Rand des Abgrunds genommen hatte. Keine Tore im Frankenstadion – willkommen in der Geisterbahn der Liga.

„Das war keine Fußballdelikatesse, das war auch nicht zu erwarten, besonders nicht von meiner Mannschaft“, sagte St. Paulis Trainer Dietmar Demuth in maßloser Untertreibung des Nichtgeschehens, wobei er nur damit zufrieden sein konnte, dass seine Spieler keine Erwartungen derart konsequent erfüllt hatten. So musste sich Demuths Nürnberger Kollege Klaus Augenthaler vorkommen, als tanze da einer Polka auf dem Grab seiner Hoffnungen. „Das war für uns heute zu wenig“, wisperte er, der dem Anlass entsprechend übrigens ganz in Schwarz gekleidet war.

Das Heimspiel gegen den Allerletzten nicht gewonnen: Man kann sogar verstehen, dass Augenthaler die Argumente ausgehen. In der Analyse des Spiels verrannte er sich allerdings auf eine Art und Weise, die, wäre er noch Spieler, auf dem Platz zu einer spektakulären Serie von Eigentoren geführt hätte. So fand Augenthaler, seine Dilettanten des Torschusses hätten „angedeutet, dass sie mithalten können“ – immerhin mit St. Pauli. Er bemerkte außerdem, dass „wir vor zwei, drei Wochen so ein Spiel noch verloren hätten“. Was am Samstag nur deshalb nicht passierte, weil Torwart Kampa einen Kopfball Patschinskis gerade noch auf der Linie abfing. Kurzum, resümierte der Club-Coach: „Wir wollten aus den letzten beiden Spielen vor der Winterpause vier Punkte – den ersten haben wir schon.“ Und am Dienstag kommt Dortmund.

Derweil packten draußen die Hamburger Abstiegsgespenster ihre Sensen wieder in den pechschwarzen Bus – sie hatten ihre Mission erfüllt. Ralf Wiegand

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen