■ Daumenkino: Die Eskorte
Eine neue Realismuswelle hat Italien heimgesucht, immer mehr Regisseure entdecken die Wirklichkeit im eigenen Land. Um Machtkämpfe innerhalb der Mafia geht es etwa in Carlo Carleis „Das Ende der Unschuld“. Besonders viel Mühe hat sich Carlei bei der Inszenierung der Gewalt- und Verfolgungsszenen gegeben, meterhohe Leichenberge versperren den Blick auf das eigentliche Thema.
Unspektakulärer kommt Ricky Tognazzis „Die Eskorte“ daher. Unter Verzicht auf jegliche Spannung und mit einem Minimum an Rührseligkeit will er ganz wirklichkeitsgetreu Leben und Arbeit junger Männer darstellen, die in Sizilien den Leib eines Staatsanwalts bewachen. Nach detaillierten Zeugenaussagen und an Originalschauplätzen sei der Film entstanden, protzte Tognazzi im Interview. Doch auch in Palermos abgerissenen Gassen läßt sich das Heldentum bestens zelebrieren, und was das Gebaren der Leibwächter betrifft, glaubt man sich glatt im Wilden Westen. Festen Blicks und energischen Schrittes nehmen die Bodyguards den Kampf für die gute Sache auf. Nach anfänglichen Hahnenkämpfen lautet die Parole „Einer für alle, alle für einen“. Wie es die Dramaturgie solcher Filme will, muß einer der Helden sein Leben lassen. Hier bietet sich die schöne Chance, ein wenig Sprengstoff ins Spiel zu bringen und Autos durch die Lüfte zu schleudern. Mit von der Männerpartie auch Enrico Lo Verso, der herzensgute Carabinieri aus Amelios „Gestohlene Kinder“. Für den Part des Leibwächters hat er sich einen Ziegenbart stehen lassen, um ein wenig grimmiger auszuschauen. Die Bedrohung durch die Mafia bleibt bei soviel Männlichkeitsgehabe und Gefasel von der wahren Freundschaft völlig auf der Strecke. Nicht ins Kino, sondern auf die Polizeiakademie gehört Tognazzis Leibwächterballade, getreu dem Motto „Ein Beruf, der nach den Sternen greift“.Anke Leweke
Ricky Tognazzi: „Die Eskorte, Italien 1993.
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